Kommentar: Exit, aber wie? Die immense Verantwortung der Politik

12.4.2020, 11:37 Uhr
Eine historische Rede: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Samstag vor Ostern.

© SVEN HOPPE, AFP Eine historische Rede: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Samstag vor Ostern.

Normalerweise gibt es solche Reden nur an Weihnachten. Dann spricht der Bundespräsident zum Volk - und die Aufmerksamkeit hält sich in Grenzen. Wenn so etwas an einem anderen Datum passiert, dann muss etwas passiert sein, was nicht normal ist. Im August 1961 wandte sich Heinrich Lübke an die Deutschen - nach dem Mauerbau. 2005 erklärte Horst Köhler, warum er den Bundestag auflösen und Neuwahlen herbeiführen wolle.


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Und nun Frank-Walter Steinmeier. In Bayern stimmte zuvor schon Markus Söder die Tonlage an: Geduld und Vorsicht seien notwendig, auch nach Ostern - so der Ministerpräsident, der momentan Zustimmungswerte in Rekordhöhe erlebt. Insgesamt ist das Vertrauen in die Politik in der Krise gewaltig gewachsen. Die zuvor so geschmähte Große Koalition ist unangefochten; manche wünschen sich sogar schon eine erneute Kanzlerkandidatur Angela Merkels.

Aber es ist momentan nicht die Zeit, über Personalien zu spekulieren. Nach Ostern nämlich steht die Politik vor ihrer gewaltigsten Herausforderung seit Bestehen der Bundesrepublik. Es geht um den richtigen Mix beim langsamen Wiederhochfahren des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft: Wer darf wann was wo? Das sind Fragen, für die es keine eigenen Erfahrungswerte gibt. Man kann lernen, was andere Staaten in der Krise getan oder gelassen haben. Aber insgesamt ist das, was nun ansteht, ein riesiges Experiment. Wir fahren in der Tat auf Sicht - und ob die Entscheidungen, die nun anstehen, richtig sind, das wird sich erst in einigen Wochen oder Monaten zeigen.


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Bundespräsident Steinmeier hat bereits in den vergangenen Monaten etliche bemerkenswerte Reden gehalten - zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens zum Beispiel oder an Georg Elser, den Hitler-Attentäter. Was er nun in seiner Fernsehansprache an die Nation zu den Risiken und auch Chancen der Coronakrise sagte, das hatte es in sich. Denn das Staatsoberhaupt erinnerte zu Recht daran, dass es an uns allen liegt, wie das Land aus dieser Krise herausgeht. Ob wir etwas lernen und ändern - oder so weitermachen wie bisher.

Nur international lasse sich die Krise bewältigen, sagte Steinmeier, der dabei auch auf Europa setzt - ein Europa, das sich zuletzt eher zerstritten als einig präsentierte. Der Präsident ging aber auch auf Fragen des Lebensstils ein - und auf die Art, wie wir wirtschaften und leben. Und ob wir uns da wirklich eine rasche Rückkehr zu einem unveränderten Alltag wünschen: "Die Pandemie zeigt uns: Ja, wir sind verwundbar. Vielleicht haben wir zu lange geglaubt, dass wir unverwundbar sind, dass es immer nur schneller, höher, weiter geht. Das war ein Irrtum."

Gefahr ist nicht gebannt

Wann und wie kann das öffentliche Leben weitergehen? Auch das sei eine Frage, über die nicht allein Politiker und Experten entschieden, "sondern wir alle haben das in der Hand." Wenn die Regeln eingehalten würden - "gerade jetzt, wenn es uns am schwersten fällt". Noch sei die Gefahr nicht gebannt. Durch die Einhaltung der radikalen Einschnitte habe jeder "Menschenleben gerettet und rettet täglich mehr", Steinmeier wünscht sich, dass wir etwas machen aus jener Solidarität, aus jenem Gemeinsinn, der momentan zu erleben sei: "Wir wollen keine ängstliche, keine misstrauische Gesellschaft werden. Sondern wir können eine Gesellschaft sein mit mehr Vertrauen, mit mehr Rücksicht und mehr Zuversicht." Die Solidarität, die Deutschland jeden Tag beweise, "die brauchen wir in Zukunft umso mehr", sagte Steinmeier und betonte: "Wir können und wir werden auch in dieser Lage wachsen."


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Die Corona-Pandemie sei "eine Prüfung unserer Menschlichkeit", die das Schlechteste und das Beste in den Menschen hervorrufe. "Zeigen wir einander doch das Beste in uns."

Eine Hoffnung, die Mut machen kann. Und in der auch ein gewaltiger Auftrag für uns alle steht. Die Krise fordert uns heraus. Die Politik, weil sie in ungeheurer Verantwortung steht. Und uns, weil es entscheidend auf unser Verhalten ankommt, wie und wann wir herauskommen aus dem Bannstrahl, den dieses Virus übers Land und die ganze Welt legt.


Die Anzahl der Corona-Infizierten in der Region finden Sie hier täglich aktualisiert. Die weltweiten Fallzahlen können Sie an dieser Stelle abrufen. Sie haben selbst den Verdacht, an dem Virus erkrankt zu sein? Hier haben wir häufig gestellte Fragen zum Coronavirus zusammengestellt.

Für die Bundesrepublik hält Gesundheitsminister Jens Spahn eine schrittweise Lockerung der Corona-Auflagen nach Ostern für denkbar. Derweil mahnt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, gewisse Einschränkungen nicht zu früh zu entkräften. Was in Bayern aktuell erlaubt ist und wie teuer ein Verstoß gegen die Auflagen werden kann, lesen Sie hier.

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