Kommentar: Groko packt Probleme zu zögerlich an

23.7.2020, 17:00 Uhr
Wieder gibt es Diskussionen über den Mindestlohn. Zwar ist der 

© Monika Skolimowska, NZ Wieder gibt es Diskussionen über den Mindestlohn. Zwar ist der 

Moment, war da nicht was? Richtig, erst Ende Juni hat die zuständige Kommission einstimmig empfohlen, dass der Mindestlohn bis Mitte 2022 von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde steigt – in vier mickrigen Stufen. Und jetzt kommt der Arbeitsminister und kündigt Vorschläge an, "wie wir schneller die Marke von 12 Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze erreichen können"?


Kommentar zum Mindestlohn: Bloß Beifall ist zu wenig


Es sind Momente wie diese, an denen man sich möglicherweise ein wenig über die Regierenden in Berlin ärgert. Der Vorschlag von Hubertus Heil ist vernünftig. Es gibt gute Gründe für die Ansicht, warum der Mindestlohn weiter deutlich zu niedrig ist. Doch das ist in dieser GroKo nicht konsensfähig. So werden Probleme, die unübersehbar sind, nicht oder nur sehr zögerlich abgearbeitet. Genau das fördert den Verdruss mancher Bürger über "die Politik".

Die Bundesregierung hat ohnehin entsetzlich lange gebraucht, bis überhaupt ein Mindestlohn eingeführt wurde. Dabei war nicht zu übersehen, dass die deutschen Dumpinglöhne selbst in dem deutlich weniger wohlhabenden Polen dazu geführt haben, dass dort Schlachtbetriebe in den Ruin getrieben wurden. Ein Unding!

Mindestlohn: Mit 12 Euro noch wettbewerbsfähig?

Auch die jetzige Höhe hat ein paar unangenehme Folgen. Leute, die nur Mindestlohn verdienen, werden später zu einem großen Teil Renten beziehen, die vom Staat aufgestockt werden müssen, damit es zum Überleben reicht.

Das führt einen unweigerlich wieder zu der Frage, was man von einem Wirtschaftsmodell halten soll, in dem selbst ein Vollzeitbeschäftigter, wenn er nur den Mindestlohn verdient, weder eine Familie ernähren kann noch eine ausreichende Alterssicherung hat.

Die düsteren Warnungen der Wirtschaftsverbände, eine solche Lohnuntergrenze würde viele Betriebe in den Untergang treiben, haben sich nicht bewahrheitet. Eine Anhebung auf 12 Euro würde die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in keiner Weise gefährden. So aber bleibt die soziale Spaltung in diesem wohlhabenden Land viel tiefer als sie sein sollte. Darüber sollte man sachlich diskutieren können und nicht ideologisch.

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