Kommentar: Impfpflicht für Pflegekräfte ist denkbar

12.1.2021, 18:49 Uhr
Eine generelle Impfpflicht gibt es bisher nicht, für manche Berufsgruppen werden aber entsprechende Vorgaben diskutiert.

© Matthias Rietschel, epd Eine generelle Impfpflicht gibt es bisher nicht, für manche Berufsgruppen werden aber entsprechende Vorgaben diskutiert.

Stets sprachen führende Politiker – wohl zu vollmundig – davon, dass es keine Impfpflicht gebe. Nun kommt sie womöglich in Ausnahmefällen doch. Über die Hintertür, wenn etwa Veranstalter von Konzerten oder Reisen eine Impfung vorschreiben. Und vielleicht sogar ganz offiziell für bestimmte Berufe: Markus Söder will das für Beschäftigte im Gesundheitsbereich zumindest ethisch klären lassen.

Ist das klug? Der Vorstoß kommt vermutlich zu früh. Noch ist unklar, wie viele Pflegekräfte sich impfen lassen; es gibt Vorbehalte – aus Angst vor Nebenwirkungen, teils auch aus Prinzip. Da können erfolgreiche, sprich: wirksame Impfungen die beste Werbung sein. Das gilt für die gesamte Bevölkerung. Impfen muss übrigens keineswegs "Bürgerpflicht" für alle sein, wie es Söder fordert. Das ist es für sehr viele sowieso. Die Kritiker aber lassen sich durch solche Pathos-Parolen kaum überzeugen.

Bei Pflegenden gilt: Wenn sich auch mittel- und langfristig zeigt, dass die Impfung wirkt und keine Nebenwirkungen hat, dann stellt sich Söders Frage durchaus. Ist es dann hinnehmbar, wenn Beschäftigte mit ständigem Patientenkontakt auf einen derart wichtigen Schutz verzichten dürfen?

Bei Masern gibt es eine Pflicht

Die Antwort gab die Politik zuletzt 2019, als sie die Masern-Impfpflicht für Schul- und Kita-Kinder sowie für dort Beschäftigte einführte. Verfassungsbeschwerden wies Karlsruhe ab: Ziel sei der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit. Bei einem Erfolg der Anträge wären "grundrechtlich geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen". Das kann ähnlich auch bei Corona gelten – wenn es noch mehr Klarheit in Sachen Impfung gibt.

Übrigens: Die Pocken und andere Krankheiten wurden ausgerottet – weil es da lange eine Impfpflicht gab. Insgesamt gilt: Wer sicheren Impfschutz verweigert, gefährdet nicht nur sich, sondern auch – und das ist das Entscheidende – andere. Das ist gerade in Pflegeberufen nicht akzeptabel. Wer dort dann eine Impfung verweigert, könnte in Bereichen ohne Personenkontakt eingesetzt werden. Mittelfristig also liegt Söder richtig. Er war nur – mal wieder – zu voreilig.

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