Kommentar: Kurz hat von der FPÖ die Nase voll

19.5.2019, 13:54 Uhr
Sebastian Kurz hat das bisher alles, um seiner Macht willen, weitgehend schweigend hingenommen. Doch das hat nun ein Ende.

© Robert Jaeger/APA/dpa Sebastian Kurz hat das bisher alles, um seiner Macht willen, weitgehend schweigend hingenommen. Doch das hat nun ein Ende.

Eines kann dem österreichischen Bundeskanzler schon vor dem Auftauchen der Videoaufnahmen nicht entgangen sein: Sein Koalitionspartner, die FPÖ, schadet nicht nur dem dem Land, sondern auch seinem persönlichen Ansehen.

Da sind zum Beispiel die andauernden Angriffe auf den öffentlich-rechtlichen Sender ORF, dessen Arbeit den Rechtspopulisten von jeher ein Dorn im Auge war. Zuletzt waren es die Attacken auf den Nachtrichtenmann Armin Wolf - aus einem durchsichtigen Motiv heraus: Die Freiheitlichen fürchten kritischen Journalismus und wollen in ausschalten. Das ist genau das gleiche, was ihre Gesinnungsgenossen in Polen oder Ungarn tun.


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Und da ist Innenminister Herbert Kickl, der nicht verstanden hat, was Gewaltenteilung ist. Denn er hat gefordert, dass das Recht der Politik zu folgen hat. Dabei ist es genau andersherum: Politische Entscheidungen müssen geltende Gesetze und die Verfassung beachten - alles andere unterminiert die Grundfesten eines Rechtsstaates.

Eine im Kern unfähige Figur

Weil Kickl eine derart zweifelhafte, im Kern unfähige Figur ist, überlegen es sich befreundete Nachrichtendienste sehr gut, inwieweit sie mit den Kollegen in Wien noch zusammenarbeiten.

Das alles hat dem Ruf Österreichs schon bis jetzt massiv geschadet. Jeder Unternehmer wird, ja muss es sich zweimal überlege, ob er in einem Land investiert, in dem der Innenminister eine Gefahr für den Rechtsstaat ist. Und durch das jetzt, nach den Aufnahmen von Heinz-Christian Strache, der unangenehm stinkende Dunst der Korruption weht.

Sebastian Kurz hat das bisher alles, um seiner Macht willen, weitgehend schweigend hingenommen. Aber dass es mehr und mehr auch auf ihn, dem Shooting-Star der Konservativen, zurückfällt, muss er verstanden haben. Deshalb hat er die sich jetzt bietende Gelegenheit genutzt, um die Reißleine zu ziehen.

Denn seine ÖVP hat sich in Umfragen deutlich von der FPÖ abgesetzt und kann an der 40-Prozent-Marke kratzen. Die FPÖ liegt bei gut der Hälfte und wird, wenn Vernunft in der österreichischen Politik noch eine Rolle spielt, deutlich abstürzen. Kurz wird sich - Stand heute - nach den Neuwahlen einen Koalitionspartner suchen können, der dem Land und ihm selbst nicht auf so massive Weise schadet.

Schwerer Schlag für Europas Rechte

Für Europas Rechte ist die Affäre ein schwerer Schlag. Denn nun rückt, kurz vor der Europawahl, ins Bewusstsein, mit welch zweifelhaften Methoden viele von ihnen arbeiten. Beispiel ist die deutsche AfD, die sich als Rechtsstaatpartei gerieren wollen, aber jetzt einen Spendenskandal provoziert haben, weil sie Gelder aus obskuren Quellen akzeptiert haben.

Außerdem nimmt sie der Verfassungsschutz ins Visier. Und dann haben sie noch einen Abgeordneten in den eigenen Reihe, der merkwürdig eng mit Putins Russland zusammenarbeitet. Das alles kam dazu eine Woche vor der Europawahl ans Tageslicht.


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Wenn es denn noch eines Beweises bedurft hätte, dass es unabhängigen Journalismus braucht - dann sind es die Veröffentlichungen über Heinz-Christian Strache. Schade nur, dass es deutsche Medien waren, die diese Aufgabe übernommen haben. Denn wahrscheinlich hielten die unbekannten Informanten die österreichischen Medien nicht mehr für unabhängig oder mutig genug.

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