Kommentar: Merz als CDU-Vorsitzender würde den Niedergang beschleunigen

11.2.2020, 11:52 Uhr
Jurist, Finanzexperte, glänzender Redner: Schon nach dem Verzicht Angela Merkels auf den Parteivorsitz hat sich der frühere CDU-Hoffnungsträger 2018 als Kandidat ins Spiel gebracht.

© Peter Gercke/dpa Jurist, Finanzexperte, glänzender Redner: Schon nach dem Verzicht Angela Merkels auf den Parteivorsitz hat sich der frühere CDU-Hoffnungsträger 2018 als Kandidat ins Spiel gebracht.

Mal ganz ehrlich: Was weiß man eigentlich über Friedrich Merz? Er saß erst im Europaparlament und dann eine ganze Weile für die CDU im Bundestag, war zwei Jahre lang Oppositionsführer, als Gerhard Schröder (SPD) Bundeskanzler war. 2002 gab er den Fraktionsvorsitz an Angela Merkel ab - manche sagen, wegen fortgesetzter Erfolglosigkeit. Seine Vision, dass eine Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen sollte, wurde nie Realität. Vor zwei Jahren nahm er mal wieder Anlauf, die CDU zu erobern, unterlag aber dank einer sehr schwachen Bewerbungsrede Annegret Kramp-Karrenbauer.

Die ist nun Geschichte, und Merz wittert Morgenluft. Unterstützt wird er von der sogenannten Werteunion - eine Gruppe, die innerhalb der CDU nicht gerade als Sammelbecken neuer Ideen gilt, sondern eher als Spaltpilz. Und da offenbart sich schon Merz' größtes Problem: Mit ihm an der Spitze nähme sich die Union nahezu sämtliche Koalitionsoptionen im Bund.

Die SPD hat sich bei der Neuauflage der Großen Koalition ohnehin schon bis weit jenseits der Schmerzgrenze verbogen. Viele ihrer Anhänger haben der Partei das übel genommen, hätten die SPD lieber in der Rolle als Oppositionsführerin gesehen. Das ist der Grund, warum die Genossen bei mehreren Landtagswahlen in Serie übel abgestraft wurden. Ein "Weiter so!" mit Friedrich Merz als Kanzler wäre politischer Selbstmord, das wissen alle im Willy-Brandt-Haus.

Mit ihm als CDU-Chef wäre Schwarz-Grün im Bund, die heimliche Hoffnung nicht weniger Unionsanhänger, ebenfalls vom Tisch. Eine Koalition mit einem stockkonservativen, wirtschaftsliberalen Ex-Lobbyisten an der Spitze, das könnten Robert Habeck und Annelena Baerbock der grünen Basis niemals vermitteln. Die beiden haben durchblicken lassen, dass die Grünen bereit sind, Regierungsverantwortung zu übernehmen, aber nicht um jeden Preis. Das nimmt man ihnen ab.


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Mit FDP-Chef Christian Lindner könnte Merz wohl noch am ehesten, doch für Schwarz-Gelb reicht es auf Bundesebene einfach nicht. Insofern wäre die CDU gut beraten, den oft spröde wirkenden Anwalt aus dem Sauerland nicht aufs Podest zu heben, sondern eher einen Mann, der integrative Fähigkeiten besitzt und auch mal einen Kompromiss eingehen kann.


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Obendrein gilt zu bedenken: Merz hatte weder auf Landes- noch auf Bundesebene je einen Staatssekretär- oder Ministerposten inne. Er kennt die politische Arbeit nur als deren Kritiker, nicht als Gestalter. Trotzdem will er Chef der Exekutive werden? Dazu braucht es schon etwas mehr Erfahrung, und da fällt einem momentan nur NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ein. Der mag laut Spöttern vielleicht wirklich nur so etwas wie eine männliche "Angela Merkel light" sein, ist mit Blick auf künftige Koalitionsoptionen derzeit aber wohl das beste Pferd im Stall der Union.

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