Kommentar: Von der Leyen macht gleich das größte Fass auf

19.7.2019, 11:31 Uhr
Kommentar: Von der Leyen macht gleich das größte Fass auf

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Ursula von der Leyen gibt sich naiver als sie ist. Sie habe noch nie wirklich verstanden, "warum Dublin mit der einfachen Gleichung begann: Wo ein Migrant zuerst europäischen Boden betritt, muss er oder sie bleiben", lässt sie uns via Bild-Zeitung wissen. Doch natürlich weiß sie ganz genau, wie diese unsinnige Regelung zustande kam. Es waren die Deutschen, die nach dem Hochschnellen der Flüchtlingszahlen im Zuge der Balkankriege das Dublin-Abkommen durchdrückten. Ein überproportionaler Teil der Geflüchteten war damals in Deutschland gelandet. Die neue Regel aber hätte zumindest theoretisch bedeutet, dass kein einziger Kriegsflüchtling mehr in Deutschland verbleiben würde, sondern in einem der Mitgliedsstaaten am südlichen Rand der EU.

So jedenfalls ist die Debatte jahrzehntelang geführt worden. Und sie war unehrlich, vom ersten Moment an. Ursprünglich nämlich war vereinbart, nach der Erstaufnahme ein europäisches Modell zu entwickeln, was dann mit den Gestrandeten geschehen soll und wie sie auf die übrigen Mitgliedsstaaten verteilt werden sollten. Dieser Teil ist allerdings nie beschlossen worden. Genau das hat sich nun gerächt.

Politische Sünde

Wenn diese politische Sünde nicht geheilt wird, kann es keine Lösung geben. Die Positionen dazu sind jedoch total verhärtet. Nur rund ein Drittel der EU-Staaten ist derzeit bereit, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen. Staaten wie Ungarn und Polen weigern sich kategorisch, sich überhaupt zu beteiligen.

Von der Leyen hat hier eine riesige, ungeheuer schwierige Aufgabe vor sich. Und sie muss sie anpacken. Wenn ihr das nicht gelingen sollte, hätte sie gleich zu Anfang eine herbe Niederlage erlitten, die ihre ganze Amtszeit beschädigen würde.

 

 

 

Sie hat aber auch viel bessere Voraussetzungen, als es etwa die beiden vorigen Kandidaten für den EU-Spitzenposten, Manfred Weber und Frans Timmermans, gehabt hätten. Sie waren für die Regierungen in Ungarn und Polen wie rote Tücher. Von der Leyen hat es vor ihrer Nominierung verstanden, sich auch deren Unterstützung zu sichern. Ob damit konkrete Versprechen verbunden waren, ist derzeit unklar. Doch immerhin gibt es eine Gesprächsebene.

Den Ball ins andere Feld spielen

Wie eine Lösung inhaltlich aussehen kann, ist damit aber längst nicht gesagt. Von der Leyen hat unter anderem darauf hingewiesen, dass etwa Polen bereits 1,5 Millionen Ukrainer aufgenommen hat, die vor den Wirren im Donbass geflohen sind. Das ist eine enorme Leistung, die gewürdigt werden sollte. Allerdings muss auch von solchen Ländern gefordert werden, dass sie selbst Vorschläge machen, wie sie sich solidarisch einbringen können.

Genau das schwebt der künftigen EU-Kommissionschefin vor. Sie spielt den Ball ins andere Feld und wartet ab, was man dort mit dem Gerät anfängt. Das ist kein Garant dafür, dass am Ende wirklich eine praktikable Lösung herauskommt. Aber es ist besser, als sich mit dem Megaphon an die Grenze zu stellen und "Ihr Schmuddelkinder!" hinüberzurufen. Es ist ein Ansatz, der alle Beteiligten das Gesicht wahren lässt. Schon mal nicht die schlechteste Voraussetzung.

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