Kommentar nach Corona-Gipfel: Unerfreuliches Frühjahr steht bevor

23.3.2021, 07:15 Uhr

Wer die Briefe von Leserinnen und Leser an unsere Zeitung liest oder gelegentlich mal in einschlägige Diskussionssendungen im Radio hineinhört, der kann seit einigen Wochen eine deutliche Veränderung bemerken. Die Menschen werden immer ungeduldiger und unzufriedener, die Spaltung unter den Deutschen nimmt zu.

Muss man es noch eigens erwähnen, wer da alles aufeinanderprallt? Die Anhänger der Inzidenzwert-Theorie und die mit einem breiteren Ansatz. Die wirtschaftlichen Opfer der Pandemie und diejenigen, die bisher finanziell halbwegs gut davongekommen sind. Die eisern daheim Bleibenden und die, die wieder in den Urlaub fahren wollen. Die Eltern, die ihre Kinder in die Schule schicken möchten und diejenigen, die das aus Sicherheitsgründen um keinen Preis wollen.


Das wurde beschlossen: Alle Infos zum Corona-Gipfel


Leider dürfte sich diese Entwicklung auch nach dem jüngsten Corona-Gipfel erneut verschärfen, denn auf den Lockerungskurs folgt ein Lockdown über Ostern - schärfer als je zuvor.

Dem Winter des Missvergnügens folgt vermutlich ein ähnlich unerfreuliches Frühjahr. Einen Teil der Konflikte wird die Gesellschaft aushalten müssen. Aber man könnte wenigstens die Diskussion ein bisschen besser sortieren und nicht immer alles vermischen. Das verschärft nur den Zorn und die Spaltung.

Die Diskussionsthemen besser sortieren

Erstens: Es gibt schlimme und schwer zu verzeihende Fehler. Dazu zählen miserable Impfstoffbeschaffung, die verschleppte Impfung, die mangelhafte Vorbereitung der Schulen auf den Winter und das wirtschaftliche Hängenlassen von Kleinunternehmern wie Soloselbständigen. Über all diese Dinge wird noch lange zu reden sein - schon alleine, um bei künftigen Notlagen besser gewappnet zu sein.


Bayerns neuer Corona-Kurs: Söder tritt heute vor die Presse


Zweitens: Es gibt hässliche Ereignisse wie die Korruptionsvorwürfe gegen Abgeordnete, die sich an Maskengeschäften bereichert haben sollen. Das wird strafrechtlich und parteintern geahndet werden. Aber trotz aller Unappetitlichkeit ist die Pandemiebekämpfung davon nicht direkt betroffen. Ebenso wenig ist das der Fall, wenn Apotheken fürstliche Summen für die Maskenverteilung bezahlt wurden.

Drittens: Es gibt diskutierenswerte Aspekte, etwa das Entwickeln einer flexiblen Lockerungs-Formel aus Inzidenzwert, Todesrate, Krankenhausauslastung und das noch unter Berücksichtigung lokaler und regionaler Gegebenheiten. Solche Entscheidungen zu treffen, gehört zum Kerngeschäft der Politik. Absolut richtig wird dabei nie etwas sein, schon gar nicht auf Dauer. Da empfiehlt sich der kritische Rationalismus des Philosophen Karl Raimund Popper. Er empfahl, konkurrierende Theorien einer ständigen Prüfung zu unterziehen und daran ohne Rücksicht auf Eitelkeiten und dogmatisches Denken seine Handlungen auszurichten. "Es gibt keine andere Methode, die als vernünftiger gelten könnte", sagte er.

Verwandte Themen