Kommentar: Olaf Scholz, die letzte Patrone der SPD

10.8.2020, 16:20 Uhr
Scholz soll als Kanzlerkandidat für SPD bei der Bundestagswahl antreten.

© Kay Nietfeld/dpa Scholz soll als Kanzlerkandidat für SPD bei der Bundestagswahl antreten.

Weiß in der SPD-Führung eigentlich die linke Hand noch, was die rechte tut? Oder folgt das Findungsprocedere für die Kanzlerkandidatur einer Strategie, die bloß niemand versteht? Da räsonieren die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Wochenende mal wieder über ein rot-dunkelrot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl, wobei Esken ihre Partei gleich noch so verzwergt, dass man selbstverständlich auch ein Bündnis unter grüner Kanzlerschaft in Erwägung ziehe – und tags darauf stellen sich Esken und Walter-Borjans zusammen mit Olaf Scholz auf die Bühne, um diesen als ihren Kanzlerkandidaten vorzustellen.


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Erklärbar würde diese Terminplanung damit, dass Esken und Walter-Borjans schnellstmöglich eine interne wie externe Debatte wieder einfangen wollten, die sie sonst kaum mehr hätten stoppen können – wie soll man der eigenen malträtierten Partei und auch den Wählern erklären, dass man die Kanzlerkandidatur schon lange vor Beginn des Wahlkampfes zugunsten der Grünen für verloren erklärt? Lange suchen mussten die beiden SPD-Vorsitzenden jedenfalls nicht, das Kandidatenkarussell war spärlich besetzt, um nicht zu sagen: nur einer saß drin, nämlich Olaf Scholz.

Scholz muss sich beweisen

Wenn Esken und Walter-Borjans ein Gefühl für die Stimmungslage in der Partei und, noch viel wichtiger, in der Bevölkerung haben, dann mussten sie sich eingestehen, die Falschen für die Kanzlerkandidatur zu sein. Olaf Scholz hingegen ist der einzige, dem zumindest die Kandidatur zugetraut wird; das Amt an sich aber eher (noch) nicht. Über ein Jahr hat Scholz nun Zeit, daran zu arbeiten.

Er wird erklären müssen, warum er zwar der richtige als SPD-Kanzlerkandidat ist, aber offenbar nicht als Parteichef; er wird als Finanzminister Disziplin in der Großen Koalition üben und doch inhaltliche Gegenentwürfe zum Koalitionspartner CDU/CSU bieten müssen; er wird erklären müssen, wie Deutschland im Fall des Falles (der hoffentlich nicht eintritt) die Anti-Corona-Bazooka ein zweites Mal mit unfassbaren Euro-Milliarden bestücken soll, ohne seine finanzpolitische Stabilität komplett auf’s Spiel zu setzen. Und ob er sich im Wirecard-Skandal etwas vorzuwerfen hat, und sei es nur den kritischen Blick auf das Unternehmen unterlassen zu haben, ist längst noch nicht geklärt.

Dennoch gab es nur einen möglichen Kanzlerkandidaten der SPD – Olaf Scholz ist ihre letzte Patrone.

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