Kommentar: Trumps Tötungsbefehl hat das Feuer entfacht

4.1.2020, 14:07 Uhr

Es war ein Schlag mitten ins Herz des an Krebs erkrankten iranischen Revolutionsführers Ayatollah Ali Chamenei - die gezielte Tötung des zweitwichtigsten Mannes im Iran und engen Vertrauten Chameneis durch die US-Armee. Der General der berüchtigten schiitischen Al-Kuds-Brigaden, Ghassem Soleimani (62), hat zweifellos viele Menschen auf dem Gewissen, hat aber auch einen gewichtigen Anteil an der Bekämpfung der sunnitisch-islamistischen Terrortruppen des Islamischen Staates (IS). Auch das ist Fakt.


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Auf direkten Befehl des US-Präsidenten Donald Trump ist aber nicht nur der bedeutendste Architekt von durch schiitische Milizen verübten Anschlägen zwischen Libanon, Syrien, Irak und Jemen nun selbst durch eine Feuerbombe im Auto zerfetzt worden. Auch der große Hoffnungsträger Chameneis und sein persönliches erzkonservatives Ass für die Präsidentschaftswahlen im Iran 2022 ist ausgelöscht worden.

"Der berüchtigte Funke ist ins Pulverfass geflogen"

Mehr noch: Soleimani, der wohl gute Chancen auf die Präsidentschaft im Iran gehabt hätte – weil von Rohani enttäuschte, reformorientierte Iraner die nächsten Wahlen boykottieren und dadurch die Hardliner wieder alle Macht an sich reißen werden – lässt sich nicht einmal mehr würdig begraben. Stattdessen wurde er umgehend zum Märtyrer erklärt, durch den fanatische Religiöse auf der schiitischen Achse von Libanon über Iran und Irak, Syrien bis in den Jemen sich nun erst recht angefeuert sehen, gegen die von ihnen verhassten Amerikaner zu kämpfen. Sie werden es als Soleimanis Vermächtnis begreifen, dem bedingungslos Folge zu leisten ist.

Mit US-Raketen ist "der berüchtigte Funke ins Pulverfass" geflogen, wie es der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, – der selbst iranischstämmig ist und sich für Menschenrechte und Versöhnung in Nahost engagiert – treffend formulierte.

Die Stimmung im Irak ist nicht pro-amerikanisch

Dass ausgerechnet der irakische Premierminister Soleimani als Märtyrer bezeichnet hat, zeigt, wie die Stimmungslage im Irak ist: jedenfalls nicht pro-amerikanisch. Was auch daran abzulesen ist, dass die irakische Regierung bei der Stürmung der US-Botschaft – Soleimani darf man auch hier als strategischen Planer anführen – auffallend spät mit Sicherheitskräften anrückte.

Dass Trump das Feuer nun richtig entfacht und sämtliche US-Bürger und Militärs in der Region in akute Gefahr gebracht hat – war nicht nur ein Riesenfehler, weil die Kriegsgefahr enorm gestiegen ist. Doch der US-Präsident hat alles noch schlimmer gemacht, weil bei dem Attentat auf irakischem Boden nicht nur ein iranischer Top-General gezielt getötet wurde, sondern mit ihm auch der hochrangige irakische Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis, enger Vertrauter Soleimanis.

Das Pikante daran: Der Milizenverbund – Volksmobilisierungseinheiten genannt, gegründet als Gegenmacht zum IS – deren Vizechef Muhandis war, wurde in die reguläre irakische Armee integriert. Auch wenn sie mit gewichtigem Einfluss Soleimanis agierten – so handelt es sich doch um einen US-Angriff auf die irakische Armee auf irakischem Boden. Das wird Folgen haben, auch für die völkerrechtliche Klärung der Aktion. Dass IS-Milizen die Aktion Trumps sogleich bejubelten, verheißt alles andere als eine gute Zukunft für die ölreiche Region.

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