Kommentar: Was vom Widerstand gegen Hitler aktuell bleibt

8.4.2020, 09:54 Uhr
Ein Mahnmal an einer Schwabinger Grundschule erinnert an Georg Elsers missglückten Bombenanschlag auf Hitler. Auch er kämpfte für die Freiheit.

© imago stock&people via www.imago-images.de, imago images/HRSchulz Ein Mahnmal an einer Schwabinger Grundschule erinnert an Georg Elsers missglückten Bombenanschlag auf Hitler. Auch er kämpfte für die Freiheit.

Es gehe dem Staat gar nicht um Corona, sondern darum, uns dauerhaft unsere Freiheiten zu nehmen, uns zu Untertanen zu machen – das stecke hinter der Krise. So schwadronieren manche nicht nur im Internet. Und: Man dürfe ja schon jetzt nicht mehr Kritik am Vorgehen von Bund und Ländern üben.

Unsinn. Die Debatte über mögliche Exit-Strategien wird intensiv geführt, es wird darüber gestritten, Virologen wie Ethiker betonen: "Die Coronakrise ist die Stunde der demokratisch legitimierten Politik" – so ein Kernsatz aus dem gestrigen Statement des Ethikrates.

Es gibt heute Anlass, auf wirkliche Bedrohungen von Freiheit und Menschenrechten zu blicken: Vor 75 Jahren ließ Hitler alle noch lebenden Widerstandskämpfer hinrichten – in Flossenbürg wurde neben anderen Dietrich Bonhoeffer getötet, der furchtlose Theologe, und in Dachau Georg Elser, der einsame, leider gescheiterte Hitler-Attentäter.

Kein Prozess im Unrechtsstaat

Beide kämpften auf ihre je eigene Art gegen ein Regime, das Freiheiten in der Tat und auf Dauer radikal einschränkte und Menschenrechte mit Füßen trat. Bonhoeffer hatte Kontakt zu den Verschwörern des 20. Juli 1944, wusste von ihren Plänen. Elser handelte völlig allein, als er versucht hatte, Hitler in die Luft zu sprengen.

Ihnen wurde, einen Monat vor der Kapitulation, als die deutsche Niederlage längst absehbar war, kurzer (oder gar kein) Prozess gemacht, in Standgerichten, ohne Zeugen, ohne jede Verteidigung: Ein Unrechtsstaat rechnete ab mit jenen, die für Recht und Freiheit kämpften und wissentlich ihr Leben aufs Spiel setzten. Ein Unrechtsstaat, der Menschen aus dem Verkehr zog schon für Kritik an der Regierung, die sich im Vergleich zu manch heutiger, radikaler Politiker-Schmähung im Netz harmlos ausnahm.

Verschwörer des Hasses

2020 gibt es wieder Verschwörer. Sie verschwören sich aber gegen, nicht für die Freiheit. Sie setzen gerade in der aktuellen Krise auf deren möglichst drastisches, chaotisches Ende. Weil sie darin eine Chance sehen für ihre Fantasien von einem autoritären, rechtsextremen Umsturz – und dabei auch auf 1933 blicken, als die Nazis von den Folgen der Weltwirschaftskrise profitierten.

Diese Verschwörer des Hasses, die im Netz krude Verschwörungstheorien verbreiten können, müssen nicht den Tod fürchten, wohl aber die Härte eines Rechtsstaats, der sich gegen seine Feinde verteidigen muss – als wehrhafte Demokratie. Das war ja die zentrale Lehre aus der NS-Zeit.

Wir leben heute in einer Art Ausnahmezustand, für einige Wochen. Danach – und darauf werden nicht zuletzt wir Medien pochen, sondern auch sehr viele überzeugte Anhänger unseres Rechtsstaats – müssen die eingeschränkten Freiheiten wiederhergestellt werden. Davon ist auch auszugehen. Ganz anders als beim zwölfjährigen Ausnahmezustand von 1933 bis 1945.


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