Kommentar: Zeit der Brandstifter

29.8.2014, 12:00 Uhr
Nicht nur Putin gießt in der Ukraine-Krise Öl ins Feuer. Auch die EU und Amerika mischen in dem Konflikt mit.

© dpa Nicht nur Putin gießt in der Ukraine-Krise Öl ins Feuer. Auch die EU und Amerika mischen in dem Konflikt mit.

Tatsächlich ist der Kremlchef ein Meister darin, auf Krisengipfeln wie zuletzt in Minsk seinen Friedenswillen zu bekunden, dann aber doch wieder Öl ins ostukrainische Feuer zu gießen. Dass die Separatisten vielfältige Unterstützung aus Moskau erhalten, sowohl in Form von Waffen wie von Kämpfern, haben diese inzwischen selber mehrfach ausgeplaudert. Und dass es unter anderem diese russischen Hilfen sind, die den Krieg rund um Donezk und Lugansk nicht enden lassen, liegt auf der Hand.

Es erscheint daher auch nicht völlig aus der Luft gegriffen, dass in der Ostukraine eine russische Invasion stattgefunden haben könnte. Derartige Behauptungen hat der ukrainische Präsident Poroschenko zwar schon öfter aufgestellt, ohne sie später beweisen zu können. Und bis Donnerstagabend gab es erneut keine unabhängigen Beweise für einen russischen Einmarsch. Doch auch auf der Krim tat Moskau zunächst so, als habe es nichts mit der Sache zu tun - bis dann russische Kämpfer ohne Hoheitszeichen („grüne Männchen“), die Halbinsel ganz offiziell für den Kreml okkupierten.

Finsterer Kriegsfürst

Auf den zweiten Blick ist die Sache dennoch weitaus komplizierter, und die EU macht es sich viel zu einfach, Putin immer nur als den finsteren Kriegsfürsten darzustellen, der die untergegangene Sowjetunion wieder auferstehen lassen will. Denn zu denen, die Öl ins Feuer gießen, gehörten und gehören ebenso die aktuelle Regierung in Kiew, noch mehr aber die EU und an allererster Stelle die USA.

Zu diesem Schluss kommt sogar das angesehene außenpolitische US-Journal Foreign Affairs, das alles andere als im Verdacht steht, allzu russlandfreundlich zu sein. In seiner aktuellen Ausgabe findet sich unter der Überschrift „Warum der Westen die Schuld an der Ukraine-Krise trägt“ eine Analyse zu den fatalen Fehleinschätzungen des Westens, die zur Initialzündung für diesen Konflikt wurden.

Putin hatte jahrelang mehrfach deutlich gemacht, dass er eine Ausdehnung der Nato bis in seinen ukrainischen Vorgarten nicht dulden würde. Das hielt Washington und Brüssel dennoch nicht davon ab, auf westlich orientierte Regierungen in Kiew zu drängen, mit denen die Integration des Landes in die Nato und die EU vorangetrieben werden sollte.

Fast am Ziel

Inzwischen scheinen die USA, die eine kaum zu übersehende Einkreisungspolitik gegenüber Russland betreiben, fast am Ziel ihrer Bemühungen zu sein. Die Regierung Poroschenko hat das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet (das auch ein Kapitel über militärische Kooperationen enthält) und drängt auf eine enge Anbindung an die Nato. Das ist eine enorme militärische Bedrohung für Russland: Auf der Krim befindet sich einer der wichtigsten Militärhäfen Moskaus, eine Stationierung des US-Raketenschilds in der Ukraine ist für Russland eine Horrorvorstellung.

Natürlich rechtfertigt das alles nicht die völkerrechtswidrige Annexion der Krim oder der Ostukraine. Und erst recht nicht den Tod von inzwischen vermutlich über 2000 Menschen im Donbass. Aber hätten EU und USA nur den Versuch unternommen, sich in Putin hineinzuversetzen, hätten sie die Eskalation vorhersehen und vielleicht vermeiden können.

Den USA sollte das nicht schwerfallen: Immerhin haben sie mit der Beinahe-Stationierung russischer Atomraketen 1962 auf Kuba eine ähnliche Situation erlebt. Und dass Kanzlerin Merkel jetzt wieder schärfere Sanktionen androht, zeugt von Ohnmacht und Ideenlosigkeit - aber sicher nicht davon, dass sie begriffen hat, was Putin antreibt.

2 Kommentare