Grüne setzen auf Geschlossenheit

Kommentar zu Grünen-Parteitag: Ein Programm mit sozialem Anstrich

13.6.2021, 17:05 Uhr
Robert Habeck und Annalena Baerbock: Als Wahlkampf-Spitzenduo erhielten sie sehr gute 98,5 Prozent Zustimmung von den Grünen Delegierten.

© Kay Nietfeld, dpa Robert Habeck und Annalena Baerbock: Als Wahlkampf-Spitzenduo erhielten sie sehr gute 98,5 Prozent Zustimmung von den Grünen Delegierten.

Dass die Grünen wissen, wie Politik funktioniert, haben sie auf ihrem Parteitag am Wochenende bewiesen. Die Ungereimtheiten und das Aufhübschen des Lebenslaufs ihrer Spitzenkandidatin haben sie einfach weggesteckt, nachdem sich Annalena Baerbock entschuldigt hat. Mit 98,5 Prozent wurde Baerbock als Kanzlerkandidatin mit einem sehr guten Ergebnis bestätigt.

Die Parteitagsregie hatte die Abstimmung geschickt eingefädelt: Es wurde gemeinsam über Baerbock und Robert Habeck als Wahlkampf-Spitzenduo abgestimmt. Bei einer Einzelabstimmung hätte es aber vielleicht Unterschiede gegeben. Mit der gemeinsamen Abstimmung wurden die Reihen geschlossen und Einigkeit demonstriert.

"Deutschland. Alles drin"

Mögliche neue Stolpersteine für den Wahlkampf wurden von den Delegierten vermieden: Mit „Deutschland. Alles drin“ bleibt es beim Titel für das Wahlprogramm. Etliche Grüne wollten in den vergangenen Wochen „Deutschland“ bei der Namensgebung streichen. Es kam auch zu keinem grundsätzlichen Beschluss gegen den Einsatz von Kampfdrohnen bei der Bundeswehr. Allerdings ist die Entscheidung unscharf gefasst und konnte nur mit einer knappen Mehrheit durchgesetzt werden. Es ist weiter alles offen.

Spitzensteuersatz soll steigen

Den Spitzensteuersatz wollen die Grünen von 42 auf 48 Prozent anheben und Steuererleichterungen schließen die Grünen aus. Sie wollen den Umbau des Steuersystems: Mehr Unterstützung sollen diejenigen bekommen, die unter den Folgen des ökologischen Umbaus zu leiden haben.


Grüne wollen höheren Benzinpreis


Baerbock hat erkannt, dass die Grünen bislang zu sehr die Klimaziele in den Blick genommen haben, und darüber die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung vor den Folgen einer grünen Politik nicht ernst genug genommen haben.

Verlierer sollen aufgefangen werden

Baerbock verpasste dem Wahlprogramm einen Sozialen Anstrich und forderte, dass die Verlierer des Wandels aufgefangen werden müssen. Hier wird natürlich die gesellschaftliche Wirklichkeit mit dem politischen Weichzeichner dargestellt, denn es würde den Staat, dessen Kassen nach Corona leer sind, völlig überfordern, wenn er die Folgen einer grünen Lenkungspolitik grundsätzlich finanziell abfedern soll. Die Grünen sind nicht ehrlich, was die Kosten ihrer Politik anbelangt. Da dürften sich gewaltige Hypotheken auftürmen.

Umstrittene Anzeigenkampagne

Dass der Wahlkampf heftiger wird, machte parallel zum Parteitag eine Anzeigenkampagne der Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ deutlich. Annalena Baerbock hält in Anlehnung an Moses zwei Gebots-Tafeln. Statt zehn Gebote sind aber zehn Verbote, die das Grünen-Programm verkürzt darstellen sollen, zu lesen. „Du darfst nicht fliegen“ und „Du darfst kein Verbrennerauto fahren“ heißt es. Die von den Arbeitgebern der Metall- und Elektro-Industrie finanzierten Anzeigen, die den Grünen die Einführung einer Staatsreligion mit vielen Verboten unterstellen, ist Holzschnittwerbung der schlimmsten Sorte, da muss man gar kein Grüner sein. Zuspitzung, Übertreibung und Verkürzung: Auch andere Akteure wissen, wie Politik funktioniert.

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