Kommentar zu Söders Impfpflicht-Vorschlag: "Ängste ausräumen, anstatt zu übergehen"

12.1.2021, 17:18 Uhr

Mehr Vertrauen in die Politik schafft das nicht: Weder angedacht noch erforderlich sei eine Pflicht, sich gegen Corona impfen zu lassen – das hat Gesundheitsminister Jens Spahn stets betont, und das Kanzleramt stimmte zu. Nun rüttelt Markus Söder, zumindest was die Pflegekräfte angeht, an diesem einstigen Tabu – und das ist falsch.

Wenn sich jemand gegen die Impfung entscheidet, dann hat er dafür Gründe. Im Fall der Corona-Vakzine ist das vor allem die Sorge vor Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen. Dass diese Sorge auch bei den Pflegekräften vorhanden ist, muss man umso mehr ernst nehmen, da gerade diese – wie kaum eine andere Gruppe – das Leid und Sterben von Corona-Patienten kennen und damit um die grundsätzliche Notwendigkeit von Impfstoffen wissen.


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Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, es muss auch jenen Menschen zustehen, die im Zweifel eine Impfung als einen Eingriff in dieses Recht wahrnehmen. Das gilt erst recht, wenn man ihnen – wie im Fall von Pflegepersonal – nicht vorwerfen kann, sich nicht um die Gesundheit anderer zu scheren.
Die Bedenken der Pflegekräfte zu ignorieren, sie mit einer Impfpflicht sogar zu übergehen, schafft kein Vertrauen. Es schürt vielmehr Frust und Ängste bis in die Gesamtbevölkerung hinein.

Mehr noch: Es spielt denen in die Hände, die das Bild eines Staates malen, der Bürgerrechte einschränkt und kritische Stimmen ignoriert. Es ist deshalb höchste Zeit, Experten in die Altersheime und Kliniken zu schicken, die sich den kritischen Fragen, den Ängsten stellen und aufklären.
Denn berechtigte Fragen gibt es genügend: Sind Geimpfte tatsächlich nicht mehr ansteckend? Und müssen Pflegekräfte auch mit Impfung weiter die Schutzkleidung tragen, die ihren Alltag derzeit so anstrengend macht?

Abschließende Antworten auf diese Fragen hat die Wissenschaft (noch) nicht. Andere Ängste können aber einfach ausgeräumt werden. Eine Aufklärungskampagne, wie sie Markus Söder mit Recht ins Spiel gebracht hat, würde also helfen.

Transparenz, Informationen und überzeugende Argumente, das schafft Vertrauen. Ein Zwang bewirkt das Gegenteil.

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