Kommentar zum Gipfeltreffen in Bayern: Mit dem Rücken zur Wand

19.2.2021, 19:07 Uhr

Dass Angela Merkel ausgerechnet vor den bayerischen Landräten und Oberbürgermeistern Neuigkeiten auspacken würde, war ohnehin nicht anzunehmen. Und Markus Söders "intelligente Öffnungsmatrix" sollte allenfalls unter der Rubrik Ankündigungspolitik abgeheftet werden.


Merkel-Schalte: Hoffnungen auf Lockerungswelle wurden enttäuscht


Spannender als die Worte der beiden Spitzenpolitiker sind da schon die braven Aussagen vieler Kommunalpolitiker. Vor der Runde war immer wieder vom Klartext die Rede gewesen, den Landräte und Stadtoberhäupter an Merkels und Söders Adresse hätten richten wollen.

Am Ende ist keine einzige Attacke aus der nicht-öffentlichen Sitzung überliefert, die Kanzlerin oder Ministerpräsidenten ins Schwitzen hätten bringen können. Alle verantwortlichen Akteure vor Ort tragen also den Kurs der Regierungen in Berlin und München mit. Von allzu langer Dauer, auch das ist kein Geheimnis, dürfte der Burgfrieden jedoch nicht sein. Dazu fielen die Ergebnisse des zweistündigen Digitalformats einfach zu bescheiden aus.


Nürnbergs Oberbürgermeister ruft bei Merkel-Schalte nach Hilfe


Die Kernfrage vieler Rathauschefs blieb beispielsweise unbeantwortet: Wer soll das bezahlen? Wer etwa die Reaktion von Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König nach dem Gipfel einordnet, weiß, was alles noch zu klären wäre. Der 40-jährige CSU-Politiker wiederholt bereits seit Wochen gebetsmühlenartig seinen Wunsch nach einem Marshall-Plan für die Kommunen – doch weder Söder noch Merkel haben darauf bislang in nennenswerter Form reagiert. Kein Wunder, stehen Bund und Land doch ebenfalls mit dem Rücken zur Wand, wenn es um die eigenen Finanzen geht. In vielen Ballungszentren ist die Lage noch schlimmer: Dort geht es in einigen Monaten, wenn die Pandemie hoffentlich gebannt ist, um nicht weniger als einen Wiederaufbau der Städte – genau deshalb fordert OB König ein Hilfsprogramm.

Patentrezept? Fehlanzeige

Denn wer glaubt, dass die seit fast einem Jahr leer gefegten Innenstädte automatisch wieder mit Leben erfüllt werden, sobald die Inzidenzwerte es zulassen, ist naiv. Warum sollten die Menschen, die monatelang im Online-Handel ihre Kaufbedürfnisse gestillt haben, in die Geschäfte zurückkehren? Wie könnten die Fußgängerzonen belebt werden, wenn sich dort durch Geschäftspleiten bald ein Bild der Tristesse bietet?

All das sind Fragen, die jeder Kommunalpolitiker für seine Gemeinde selbst beantworten muss – schon deshalb, weil es eben kein Patentrezept gibt, das in Ansbach genauso wirkt wie in Nürnberg. Die Zeche, das muss Merkel und Söder klar werden, können die Kommunen nicht zahlen. Bis diese Gretchenfrage allerdings gelöst ist, werden wohl noch etliche Gipfel-Gespräche nötig sein.

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