Kommentar zur Bundesnotbremse: Mittlerweile ist es viel zu spät

20.4.2021, 18:13 Uhr
Endlich Kandidat - und das Wetter wird auch wieder besser: Zumindest Armin Laschet kann sich in diesen Tagen freuen. 

© Tobias Schwarz/AFP Endlich Kandidat - und das Wetter wird auch wieder besser: Zumindest Armin Laschet kann sich in diesen Tagen freuen. 

Eine Mutter von drei Kindern, 32 Jahre jung, seit sechs Wochen auf der Intensivstation, nach kurzzeitiger Besserung wieder extern beatmet; ein Marathonläufer, Mitte fünfzig, vor einem Jahr an Covid erkrankt, leichter Verlauf, der seitdem an Schwächeanfällen und Wortfindungsstörungen leidet; ein Sportler, keine 20 Jahre alt, der seit seiner Erkrankung dreimal operiert werden musste – am Herzen.

Drei Einzelfälle, zusammen mit tausenden weiteren reduziert auf eine Inzidenz, auf eine Zahl, die wieder unaufhörlich steigt – ein Jahr nach dem ersten Versuch, Alltagsbeschränkungen Lockdown zu nennen. Das ist keine Panikmache, das ist die Realität, beschrieben von verzweifelten und entkräfteten Ärzten und Intensivpflegern.


Bundesnotbremse: Veränderungen vor allem für Schüler


Winfried Kretschmann hat Anfang Februar wütend geplante Schulöffnungen in Baden-Württemberg mit einem Verweis auf eine Studie zum Infektionsrisiko von Kindern aus dem Frühjahr 2020 gerechtfertigt, am Tag danach gab es einen Ausbruch in einer Kita in Freiburg, woraufhin die Öffnungen verschoben wurden. Armin Laschet war genervt davon, dass mit steigenden Temperaturen die Inzidenzen nicht fallen – davon waren nur er und Hendrck Streeck überrascht, der einzige Virologe in seinem Beraterteam und seit einem Jahr nur darin verlässlich, durch falsche Prognosen aufzufallen.

Peter Altmaier hält Übertragungen in Büros und Betrieben für nicht relevant, kennt keine wissenschaftlichen Belege, die ihn widerlegen. Nachdem er die Rolle des konsequenten und harten Landesvaters lange und erfolgreich gespielt hat, führt Markus Söder in den letzten Wochen eindrucksvoll vor, was ihm am Wichtigsten ist: er selbst. Und Angela Merkel denkt nach – seit nunmehr drei Wochen.

Zu spät, zu wenig

Auch das sind Einzelfälle, fünf von viel zu vielen, mit denen Politiker in Deutschland ihre Überforderung offenbaren, jeden Tag. Das ist politische Realität und sie ist erschütternd. Politiker ignorieren die Realität der Kranken und derer, die sie lieben, sie ignorieren die Toten und diejenigen, die völlig entkräftet um sie weinen, weil sie sie nicht haben retten können, sie ignorieren das Flehen der Betroffenen und die Warnungen der Virologen und Epidemiologen. Wir werden von Menschen regiert, die das, was man über das Virus wissen kann, nicht verstehen, nicht verstehen wollen oder die, obwohl sie es verstehen, nach unzähligen verstrichenen Gelegenheiten nicht entsprechend handeln.

Nachdem in der ersten Lesung wertvolle Zeit damit vergeudet wurde, über Sinn und juristische Haltbarkeit von Ausgangssperren zu streiten, die an der bedrohlichen Situation ohnehin nichts mehr ändern werden, soll in einer zweiten und dritten Lesung am Mittwoch der Gesetzentwurf zur sogenannten Bundesnotbremse auf den Weg gebracht werden. Und egal, was genau darin steht, es wird zu spät und zu wenig sein, um das Leben von viel zu vielen Menschen zu retten.

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