Spitzenkandidaten bei ARD und ZDF

Kommentar zur Schlussrunde: Eine Diskussion, die teils aus dem Ruder lief

23.9.2021, 22:28 Uhr
Drei Tage vor der Bundestagswahl stellten sich die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten einem letzten großen Schlagabtausch im Fernsehen.

© Tobias Schwarz, dpa Drei Tage vor der Bundestagswahl stellten sich die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten einem letzten großen Schlagabtausch im Fernsehen.

Ziemlich robust ging es zu in diesen 90 Minuten. Das lag nicht allein an einigen der sieben Spitzenkandidaten, die mit ihren Antworten zu oft kein Ende fanden. Das lag auch am Moderatoren-Duo: Zu erleben war erneut nicht unbedingt eine Sternstunde des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Moderatoren hatten die Runde teils nicht im Griff

Theo Koll vom ZDF und mehr noch Tina Hassel (ARD) hatten die Runde bisweilen schwer im Griff; verhakten sich zum Teil auch selbst bei ihren Fragen. Das bestätigt den Eindruck: Die Privatsender, die in der Politik-Berichterstattung aufrüsten, holen gegenüber ARD und ZDF auf - auch deshalb, weil diese sich teils Schwächen leisten.

Zugegeben: Drei Politikerinnen und vier Politiker einigermaßen in ihrem inzwischen meist hinreichend bekannten Aussage-Fluss zu bremsen - das ist nicht leicht. Und es gelang auch nur selten - so oft wurde schon lange nicht mehr weitergeredet, obwohl andere an der Reihe waren, so oft wurde auch selten unterbrochen bei all den Wahlkampf-Triellen, Quartetten, Siebener-Runden und anderen Formaten.

Sitzordnung entsprach dem Parteienspektrum

Die Sitzordnung entsprach - von den Teilnehmenden aus gesehen - der politischen Aufstellung: Auf der einen Seite ganz außen (nämlich rechts - fürs Publikum links) Alice Weidel von der AfD, dann FDP-Chef Christian Lindner, Markus Söder (CSU), CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat Armin Laschet, dann die Moderatoren, daneben die Grüne Annalena Baerbock, SPD-Bewerber Olaf Scholz und Janine Wissler von der Linken.

Zu einem Gutteil spiegelte diese Sitzordnung auch die politische Nähe wieder: Baerbock stimmte häufig mit Scholz überein (sofern er in seinen mäandernden Bandwurm-Sätzen klare Statements lieferte). Wissler blieb meistens wirklich ganz links außen, auch inhaltlich. Lindner wiederum sprach sich am Ende klar für Jamaika aus, also für ein Bündnis mit der Union und den Grünen, und lag meist auf einer Wellenlänge mit Söder und Laschet - wenn er auch den Kompass bei der Union vermisste, die ihre "innere Mitte" nicht fänden.

Alice Weidels unüberhörbare Murmeleien

Aus dem Rahmen fiel erwartungsgemäß Alice Weidel. Sie tat, was sie bei Talks nicht lassen kann: andere Statements zischelnd mit Bemerkungen begleiten, die durchaus noch gut vernehmbar sind. "Wie in Nordkorea", sagte sie etwa, als Söder von den Corona-Regeln sprach, die seiner Meinung nach Menschen schützen, für Weidel aber nur grundgesetzwidrig sind.

Als einzige übte die AfD-Vertreterin den Schulterschluss mit der "Querdenker-Bewegung": Kein Wort der Distanz, als es zum Auftakt um jene Tankstelle in Idar-Oberstein ging, in der ein 49-Jähriger mit AfD-Nähe den 20-jährigen Kassier erschoss, weil der es gewagt hatte, ihn ans Maske-Tragen zu erinnern.

Als die Debatte teils aus dem Ruder lief

Nach diesem Thema ging es ums Wohnen - mit bekannten Fronten. Ebenso beim Komplex Finanzen und Steuern. Dann kam ein Politikfeld ins Spiel, das bisher weitestgehend ausgeblendet wurde bei all den Runden: die Außenpolitik. Da lief die Debatte dann bisweilen ziemlich aus dem Ruder.

Wieder war es Alice Weidel, die auffiel: nur keine Politik gegen China, keine "Keule" (die sie Baerbock vorwarf) gegen Peking, das wir "nicht vor den Kopf stoßen" dürften. Da war wiederum der Schulterschluss der anderen trotz kleiner Differenzen groß.

Kaum knappe Antworten

Gut gemeint, aber nahezu nicht praktikabel waren jene "Schnell"-Fragerunden, die auf kurze Antworten drängten. Die gab es nur ganz selten - auch bei Fragen, die persönlich gemeint waren. Wobei etwa Markus Söder bekannte, "bisschen weniger" Fleisch zu konsumieren.

Beim Bratwurstessen mit Laschet vor einer Woche in Nürnberg galt dieser Vorsatz vorübergehend nicht. Dafür verkniff sich Söder in der Schlussrunde Sticheleien gegen Laschet, pochte allerdings am Ende erneut darauf, die Union müsse am Wahlabend auf Platz 1 kommen.

Warum war eigentlich Söder dabei?

Dass Söder überhaupt dabei war, das empörte etliche Zuschauer. Denn es war die Runde der Spitzenkandidaten - das aber ist bei der CSU nicht Söder, der gar nicht für den Bundestag kandidiert, sondern bekanntlich Alexander Dobrindt.

Traute Söder ihm den Auftritt nicht zu? Der CSU-Chef postete ein Foto, in dem er von der Runde der Parteivorsitzenden schrieb. Aber das stimmt nicht: Olaf Scholz ist, worauf gerade Söder ja gern hinweist, eben nicht SPD-Chef, sondern "nur" Kanzlerkandidat.

Fortsetzung folgt am Wahlabend

So oder so: Die Erkenntnisgewinne hielten sich in engen Grenzen. Auch, weil es sehr, vieleicht zu viele Runden gab in diesem Wahlkampf. Und weil sieben Matadore schwer zu bändigen sind. Fortsetzung folgt aber - am Wahlabend, in der nächsten Runde der sieben Parteien.

Jetzt ist, nach all den Debatten, Zeit zum Wählen. Und zum Auszählen. Zeit für Ergebnisse. Darauf sind wir sehr gespannt. Weniger auf den nächsten Polit-Talk dieser Art.

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