Acht Orangene sollen gelb werden

Krach in der Bayernkoalition beflügelt FDP-Phantasie

6.8.2021, 13:36 Uhr
FDP-Fraktionschef Martin Hagen wittert die Chance auf Regierungsverantwortung im Freistaat.

© Rolf Poss via www.imago-images.de FDP-Fraktionschef Martin Hagen wittert die Chance auf Regierungsverantwortung im Freistaat.

Die FW mit ihrer Profililierungssucht gingen den Christsozialen zuweilen schon "sehr auf die Nerven", bestätigt man im schwarzen Lager. Das war auch schon so, bevor sich die FW unter Vorsitz von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger anschickten, durch eine eigene Kandidatur dem Koalitionspartner bei der Bundestagswahl Prozentpunkte abzujagen. So jedenfalls sieht man es in der CSU. Und auch bevor FW-Chef Aiwanger durch seinen Kurs der Impfskeptik bundesweit für Aufmerksamkeit sorgte, knirschte es zuweilen vernehmlich im schwarz-orangen Koalitionsgetriebe der "Bayernkoalition" trotz gelegentlicher gegenseitiger Liebesbekundundungen des Führungspersonals. Im Ergebnis denkt jetzt auch der eine oder andere CSU-Parlamentarier in der Sommerpause darüber nach, ob man mit einem anderen Koalitionspartner besser fahren könnte.

Den Ball will FDP-Fraktionschef Hagen jetzt aufnehmen. Für eine Wiederauflage einer schwarz-gelben Koalition in Bayern wie es sie unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) von 2008 bis 2013 schon einmal gab, stellt sich allerdings ein Problem: Zusammen mit den elf FDP-Abgeordneten würde es die 84 Mandatsträger starke CSU nicht auf die absolute Parlamentsmehrheit von 103 Sitzen bringen. Das Problem wäre unter Umständen lösbar, lockt Hagen in einem "Analysepapier": Wenn die FDP acht Abgeordnete der FW zu sich herüberziehen könnte, wäre der Weg für Schwarz-Gelb frei.

"Ist aber halt die Kellertür"

Woher aber nimmt der rührige FDP-Fraktionschef seinen Optimismus, der orangen Fraktion fast ein Drittel ihrer Mitglieder abspenstig machen zu können? Es ist ein offenes Geheimnis, dass längst nicht jeder FW-Parlamentarier vom Kurs von Parteichef Hubert Aiwanger in Sachen Impfen gegen Corona begeistert ist. Auch der Führungsstil des Landes- und Bundesvorsitzenden ist nicht jedes Freien Wählers Sache. Die "Kapriolen Aiwangers", analysiert FDP-Fraktionschef Hagen, "führen innerhalb der ohnehin sehr heterogenen Freien Wähler zu großem Unmut". Es gebe Hinweise, dass sich "mehrere (auch hochrangige) Abgeordnete vom liberalen Flügel der Freien Wähler einen Wechsel zur FDP vorstellen könnten."

Wer diese "hochrangigen Abgeordneten" sein könnten, verrät Hagen natürlich nicht. Um den Parlamentarischen Geschäftsführer der FW im Landtag Fabian Mehring kann es sich dabei wohl nicht handeln. Es sei "schön zu lesen", dass die FDP-Tür für die Freien Wähler offen stehe, twitterte Mehring aus dem Urlaub in Montenegro: "Ist aber halt die Kellertür". Die könne Hagen gerne benutzen "und an die orangene Sonne kommen".

"Nicht ausgeschlossen und durchaus spannend"

Einen Präzendezfall gab es allerdings schon: Bereits vor der letzten bayerischen Landtagswahl im Jahr 2018 hatte der niederbayerische FW-Abgeordnete Alexander Muthmann seine Fraktion verlassen und hatte das FDP-Parteibuch erworben. Heute sitzt Muthmann für die FDP im Landtag. "Es gibt durchaus Differenzen, was die politische Ausrichtung der Freien Wähler angeht, insbesondere zwischen Hubert Aiwanger und mir", hatte Muthmann damals seinen Schritt begründet. Dass es heute dem einen oder anderen FW-Parlamentarier wieder so geht, beobachtet auch der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende Winfried Bausback: "Verantwortungsvolle Kollegen und Mitglieder der Freien Wähler wie zum Beispiel der Fraktionsvorsitzende Florian Streibl sind sicher nicht glücklich mit dem derzeitigen Agieren ihres Vorsitzenden in der Pandemie."

Dass inzwischen weitere acht Ex-Parteifreunde Muthmanns diesen Schritt gehen und so eine schwarz-gelbe Koalition möglich machen könnten, hält aber auch Hagen für eine durchaus gewagte Annahme. "Nicht ausgeschlossen und durchaus spannend", bewertet der FDP-Vorsitzende in seiner Analyse dieses Szenario. Dass Schwarz-Orange nicht in Stein gemeißelt ist, hatte kürzlich kein Geringerer als CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer selbst angedeutet, indem er Aiwanger die Frage stellte, ob er als Wirtschaftsminister und Stellvertreter des Ministerpräsidenten im Söder-Kabinett noch am richtigen Ort ist. "Unsere Koalition wurde nicht mit Hubert Aiwanger als Person, sondern mit der Partei Freie Wähler geschlossen", gibt Fraktionsvize Bausback zu bedenken.

"Es könnte sehr schnell gehen"

Träumen darf man auch als Politiker und so entwirft FDP-Fraktionschef Hagen schon mal die Vision einer mitregierenden FDP. Sie könne sich gegen die "Verbots- und Bevormundungspolitik" der Grünen profilieren und so "enttäuschte ehemalige CSU-Wähler" an sich binden. Auf jeden Fall werde man die "ohnehin guten informellen Kontakte" zum liberalen Flügel der FW-Fraktion "intensivieren und analysieren, welche FW-Abgeordneten inhaltlich zu uns passen würden", so Hagen: "Falls der Unmut über Aiwanger in den eigenen Reihen zu groß wird, könnte es sehr schnell gehen".

Falls die CSU die Freien Wähler los haben möchte, gäbe es freilich noch zwei weitere Alternativen, die sich überdies ohne einen Farbenwechsel von Abgeordneten umsetzen ließen: Mit den Grünen als größter Oppositionspartei würde die CSU über eine satte Mehrheit von 122 (von 205) Sitzen verfügen. Mit der SPD, die bei der letzten Landtagswahl auf 22 Mandatsträger geschrumpft ist, wäre nur die denkbar knappeste Mehrheit von einem Mandat erreichbar. Und die AfD (nach einigen Austritten noch 19 Mandate) kommt sowieso nicht als Koalitionspartner in Frage.

Seit dem Machtwechsel in der Bayern-SPD und -Fraktion auf den kämpferischen Florian von Brunn kann man sich in der CSU Schwarz-Rot aber nicht mehr so recht vorstellen. Ähnliches gilt für die Grünen. Insbesondere deren Fraktionschefin Katharina Schulze ist den CSU-Parlamentariern schwer vermittelbar. Die größte Oppositionspartei noch stärker zu machen, verbietet sich zudem aus strategischen Gründen.

So ist die Auswahl, welche sich der CSU im Falle eines Bruchs der "Bayernkoalition" mit den FW bietet, letztlich doch nicht so groß. Auch diese Situation hat der Liberale Hagen einkalkuliert: "Sollte es Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht gelingen, ein neues Bündnis zu schmieden, stünden Neuwahlen an". Die FDP rechnet damit, daraus mit sieben bis acht Prozent gestärkt hervorzugehen. Die nach Umfragen schwächelnde CSU dürfte jedoch kein Interesse an vorgezogenen Neuwahlen haben. Die Wahrscheinlichkeit für diese Variante daher laut Hagen: "Mittel."

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