Nahostkonflikt

Kriminalbeamte: Antisemitismus genauer ins Visier nehmen

17.5.2021, 09:16 Uhr
Nach antisemitischen Vorfällen bei Protesten auf deutschen Straßen werden harte Konsequenzen gefordert.

© Rolf Zoellner via www.imago-images.de, imago images/epd Nach antisemitischen Vorfällen bei Protesten auf deutschen Straßen werden harte Konsequenzen gefordert.

Nach antisemitischen Vorfällen bei Demonstrationen in Deutschland werden die Rufe nach Konsequenzen lauter. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) forderte, die Sicherheitsbehörden müssten die Szene genauer ins Visier nehmen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verlangte ein Verbot sämtlicher Symbole der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze schlug einen Gipfel der Polizei, Verfassungsschutz- und Ausländerbehörden vor. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, arbeitet derweil an einer nationalen Strategie gegen Antisemitismus.

Angesichts der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der palästinensischen Hamas im Nahen Osten waren am Samstag Tausende Menschen in deutschen Städten auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität mit den Palästinensern zu bekunden. Bei mehreren Demonstrationen kam es zu Zwischenfällen und Ausschreitungen, die schwersten Krawalle gab es in Berlin.

Antisemitismus nicht als Meinung sondern als Straftat sehen

Der BDK-Vorsitzende Sebastian Fiedler sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): "Entscheidend ist: Die deutschen Sicherheitsbehörden müssen ein noch genaueres Bild vom Gefahrenpotenzial gewaltbereiter antisemitischer Gruppen bekommen." Sichtbar sei derzeit eine Mobilisierung der pro-palästinensischen und anti-israelischen Gruppen. "Da hilft nur eine Stärkung der Nachrichtendienste und eine Ad-hoc-Schwerpunktsetzung beim Polizeilichen Staatsschutz", mahnte Fiedler.

CDU-Generalsekretär Ziemiak sagte dem Nachrichtenportal ThePioneer: "Wir erleben in diesen Tagen antisemitische Aufmärsche und widerwärtigen Judenhass, der es unverzichtbar macht, noch entschiedener gegen Antisemitismus vorzugehen." Antisemitischer Hass sei keine Meinung, sondern eine Straftat. Ziemiak forderte, das Tragen, Verbreiten und die Zurschaustellung von Symbolen der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Palästinenserorganisation Hamas in Deutschland zu verbieten.



Der CDU-Landeschef von Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, forderte im Bild-Interview "einen Gipfel der Polizei, Verfassungsschutz- und Ausländerbehörden zu Israel-Hass-Demos von migrantischen Aufwieglern". Die Politik müsse ihre Behörden "auf einen Null-Toleranz-Kurs gegen antisemitische Hetze einschwören". Das Treffen müsse möglichst zügig stattfinden, damit sich solche Gewaltausbrüche nicht wiederholten, sagte Schulze.

Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Montag), es müsse "empfindliche und schnelle Folgen haben, wenn sich jemand antisemitisch betätigt. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei müssen in die Lage versetzt werden, Antisemitismus schnell und besser zu erkennen und zu ahnden". Zudem brauche man einen "europäischen Standard" für die Identifizierung und Bestrafung von Antisemitismus. Klein kündigte eine nationale Strategie für den Kampf gegen Antisemitismus an. Sie setze auf Repression und Prävention und müsse von der kommenden Bundesregierung umgesetzt werden.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nannte die Bilder von Wochenende "unerträglich". Natürlich dürfe man die Politik Israels scharf kritisieren und dagegen laut protestieren - "aber für Antisemitismus, Hass und Gewalt gibt es keine Begründung", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung (Montag). Deshalb brauche es "die ganze rechtsstaatliche Härte gegen Gewalttäter, und es braucht den größtmöglichen Schutz für die jüdischen Gemeinden und Einrichtungen", betonte der Bundestagspräsident. Er mahnte zugleich: "Wer sich in seinem Protest nicht eindeutig davon abgrenzt, wenn das Existenzrecht Israels angegriffen wird, macht sich mitschuldig."

Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Wochenende bereits betont, wer antisemitischen Hass verbreite, werde die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Sonntag erklärt: "Wir sehen auch den antisemitischen Hass auf unseren Straßen. Nichts rechtfertigt die Bedrohung von Juden in Deutschland oder Angriffe auf Synagogen in unseren Städten."

Deutschland als Vermittler im Nahostkonflikt

Lobende Worte für Solidarität in Deutschland mit Israel findet der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff. "Glücklicherweise erleben wir sehr deutliche Reaktionen von den höchsten Ebenen in der deutschen Politik, was das Recht Israels auf Selbstverteidigung angeht. Wir haben am Wochenende starke Formen von Antisemitismus gesehen, aber überall dort, wo er sich manifestiert, sind die Reaktionen der deutschen Behörden ebenso stark", sagte der Diplomat dem Mannheimer Morgen (Montag). "Hier geht es nicht allein um eine Bedrohung von Juden oder Israelis, sondern auch um die moralische Identität Deutschlands als tolerante demokratische Gesellschaft", fügte Issacharoff hinzu.

Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, verurteilte ebenfalls Antisemitismus bei Protesten vom Wochenende. "Wer antisemitische Sprüche ruft oder Israelflaggen anzündet, ist nicht links und kämpft nicht für die Zweistaatenlösung, sondern verhindert sie eher", sagte Gysi dem "Spiegel". "Wir haben auch ein Problem mit islamischem Antisemitismus in Deutschland", betonte Gysi. Er bekräftigte die Forderung der Linken, dass Deutschland an kein Land Waffen verkaufen sollte, auch nicht an Israel. "Deutschland sollte im Nahostkonflikt endlich eine Vermittlerrolle übernehmen. Das wäre auch die angemessenere Schlussfolgerung aus der deutschen Geschichte."


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