Kritik an Kindergelderhöhung: "Besserverdienende profitieren stärker"

28.10.2020, 05:55 Uhr
In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich SPD und Union darauf, Familien mit einer Erhöhung des Kindergeldes sowie einer entsprechenden Erhöhung des Kinderfreibetrages finanzuell zu entlasten. 

© Sebastian Kahnert, NN In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich SPD und Union darauf, Familien mit einer Erhöhung des Kindergeldes sowie einer entsprechenden Erhöhung des Kinderfreibetrages finanzuell zu entlasten. 

Trotz großer Belastungen für die Staatskasse durch die Corona-Krise sollen Familien finanziell wie geplant entlastet werden: Am Donnerstag wird im Bundestag über eine Erhöhung des Kindergeldes sowie einen höheren Steuerfreibetrag beraten. Die Zustimmung von Union und SPD gilt als sicher.

Die Große Koalition setzt damit um, was sie in ihrem Koalitionsvertrag zu Beginn der Legislaturperiode versprochen hatte. Dort wurde eine Erhöhung des Kindergeldes von insgesamt 25 Euro vereinbart. Die erste Anhebung um 10 Euro gab es im Juli 2019, zum 1. Januar 2021 kommen nun nochmals 15 Euro hinzu. Für das erste und zweite Kind steigt das Kindergeld damit auf 219 Euro, für das dritte auf 225 und für das vierte und jedes weitere auf 250 Euro. Parallel dazu hebt die Große Koalition auch den Kinderfreibetrag um mehr als 500 Euro an. Dieser Teil des Einkommens wird nicht besteuert.

Teile der Opposition, aber auch aus der SPD kritisieren die Maßnahme allerdings als ungerecht. "Betrachtet man die Verteilungswirkung aus Kindergeld und Kinderfreibetrag genauer, wird klar: Besserverdienende profitieren stärker als Geringverdiener", erklären die frühere SPD-Bundesfamilienministerin Renate Schmidt und der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi in einem Schreiben an unsere Zeitung.

Hinter der Kritik steckt eine nicht einfache Rechnung: Generell wird allen Eltern monatlich das ihnen zustehende Kindergeld ausbezahlt. Bei der Einkommenssteuererklärung prüft das Finanzamt dann aber, ob für die Eltern das ausbezahlte Kindergeld oder etwa der entsprechende Kinderfreibetrag finanziell besser ist. Diese Prüfung erfolgt automatisch.


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Die Kinder von Gut- und Spitzenverdienern profitieren allerdings mit steigendem Einkommen der Eltern von den steuerlichen Kinderfreibeträgen. Diese wirken sich aufgrund des progressiven Steuersystems bei den höchsten Einkommen am stärksten aus. "Im Klartext heißt das für die Kindergelderhöhung: für die untere Mittelschicht 219 Euro Kindergeld pro Kind und Monat, für die obere Mittelschicht über den Freibetrag 293 Euro, für die Reichen 314 Euro", rechnen die beiden SPD-Politiker vor. Bei Hartz-IV-Empfängern komme von der Erhöhung zudem nichts an, weil das höhere Kindergeld in den Regelsätzen aufgehe.

Neues Konzept gefordert

"Dieses ungerechte und mehr als unbefriedigende Ergebnis halten CDU und CSU für richtig", kritisieren die beiden und plädieren gleichzeitig für das Konzept der sogenannten "Kindergrundsicherung". Danach sollen alle Kinder eine Mindestsicherung bekommen, die bei steigendem Einkommen der Eltern abgeschmolzen wird. "Der Steuerfreibetrag könnte ganz entfallen oder stark reduziert werden", erklärt Schmidt.

Die CSU sieht das anders. Die Steuerentlastung sei nicht wesentlich höher als der absolute Betrag des Kindergeldes, betont der Nürnberger CSU-Bundestagsabgeordnete Sebastian Brehm gegenüber unserer Zeitung. Zudem müsse in der Diskussion berücksichtigt werden, dass Besserverdiener trotz der Entlastung beim Kinderfreibetrag generell einen deutlich höheren Steuerbeitrag für die Gemeinschaft erbringen würden.

Das Konzept der Kindergrundsicherung sei dagegen "eine Belastung für die öffentlichen Haushalte, die nicht geschultert werden kann". Jährlich würde das auf einen Betrag von rund 40 Milliarden Euro hinauslaufen. Das würde wiederum zu erheblichen Steuerbelastungen für die kleineren und mittleren Einkommen führen. "Das kann nicht unser Ziel sein."

Neben der finanziellen Gleichstellung plädiert die SPD noch für weitere Maßnahmen: einen Rechtsanspruch auf beitragsfreie Kitas sowie beitragsfreie Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. Letzteres sei in Bayern bereits 2009 eingeführt worden, hält CSU-Politiker Brehm dagegen. "Die Forderungen ist nicht neu. Doch dort, wo die SPD die Möglichkeit gehabt hätte, es auf Landesebene oder kommunaler Ebene durchzuführen, hat sie es nicht getan." Bildung sei im föderalen System Angelegenheit der Länder. "Insofern sollte man nicht reden, sondern handeln."

In Deutschland ist laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, die im Juli veröffentlicht wurde, jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Um Familien zu entlasten, hatte die Bundesregierung das "Starke Familiengesetz" verabschiedet, im Zuge dessen auch die Kindergelderhöhung beschlossen wurde.

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