Kultusminister Michael Piazolo: Von allen Seiten hagelt es heftige Kritik

7.1.2021, 19:12 Uhr
In einer Pressekonferenz informierte Piazolo über die Regelungen zum Schulstart nach den Weihnachtsferien.

© Sven Hoppe, dpa In einer Pressekonferenz informierte Piazolo über die Regelungen zum Schulstart nach den Weihnachtsferien.

Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) erwehrt sich im Streit um das richtige Corona-Krisenmanagement an Bayerns Schulen teils vernichtend vorgetragener Kritik von Lehrerverbänden, Kommunen und Opposition. Während die Lehrer vor allem den angekündigten Verzicht auf die Faschingsferien kritisieren, hält der bayerische Gemeindetag das Krisenmanagement Piazolos in der Corona-Pandemie für gescheitert.



"Seit Jahren fordern wir eine schlüssige und robuste Digitalisierungsstrategie von der Bayerischen Staatsregierung. Jetzt, in der Corona-Krise zeigt sich, dass das Kultusministerium weit davon entfernt ist, den Schülerinnen und Schülern funktionierende digitale Angebote in der Krise zu machen", sagte Gemeindetagspräsident Uwe Brandl am Donnerstag. Dass Piazolo nun darum bitte, die Plattform Mebis nur noch im Viertelstundentakt aufzurufen, nannte er eine "Bankrotterklärung".

Piazolo betonte, es gehe beim Distanzunterricht vor allem darum, den Kontakt zwischen Schülern und Lehrern herzustellen und nicht abreißen zu lassen. "Dazu ist Mebis nicht das richtige Instrument", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Dafür seien vielmehr Videoplattformen geeignet. Das Kultusministerium stelle das Programm Microsoft Teams allen weiterführenden Schulen zur Verfügung, Kommunen hätten zusätzliche Verträge.

Dazu kämen andere Tools für Grundschulen. Es gehe darum, aus einem breit angelegten Instrumentarium das jeweils richtige auszuwählen. Der Bayerische Rundfunk wies in diesem Zusammenhang auf seine Angebote unter dem Titel "Schule daheim" hin, die in der Mediathek stehen.

"Ich bin fest davon überzeugt, dass wir von Montag an in Bayern einen guten Distanzunterricht anbieten können", sagte der Minister. Mebis habe seine Stärken, sei aber bei weitem nicht das einzige Instrument im Distanzunterricht. Die auf Mebis fokussierte Diskussion bezeichnete er als "beinahe unnatürlich". Nur 15 Prozent aller Schüler in Bayern pro Tag hätten es in der Vergangenheit überhaupt genutzt, hauptsächlich an Gymnasien und Realschulen. Die Plattform war im Jahr 2012 als Ergänzung zum Präsenzunterricht entwickelt worden.


Distanzunterricht, verschobene Abschlussprüfungen: Was Schüler jetzt erwartet


Vor allem das gleichzeitige Anmelden zahlreiche Schüler im System hatte in den vergangenen Wochen zu Serverproblemen und im Nachgang zu herber Kritik geführt. Piazolo hatte deshalb nun vorgeschlagen, das Anmelden der Schülerinnen und Schüler zeitlich zu entzerren.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte vor Wochen erklärt, Mebis müsse nach den Weihnachtsferien einwandfrei funktionieren und Piazolo damit quasi ein Ultimatum gesetzt. Freie-Wähler-Parteichef Hubert Aiwanger war Piazolo bereits am Vortag zur Seite gesprungen. Aiwanger erklärte auf dem Online-Dreikönigstreffen seiner Partei, die Misere um Mebis könne nicht einem Minister alleine angelastet werden.

Die bildungspolitischen Sprecher der Oppositionsfraktionen von FDP, Grünen und SPD beantragten am Donnerstag eine Sondersitzung des Landtagsausschusses für Bildung und Kultus. Piazolo habe es bislang versäumt, ein klares Konzept vorzulegen, wie Schule unter Pandemiebedingungen funktioniere und wie das restliche Schuljahr 2020/21 gut zu Ende gebracht werden könne, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung.

"Ob Lüftungsanlagen, Laptops für die Schulfamilie oder die Lernplattform Mebis – es hakt an allen Ecken und Enden", sagte der Grünen-Bildungspolitiker Max Deisenhofer. Simone Strohmayr von der SPD betonte, Piazolo sei der derzeitigen Aufgabe nicht gewachsen. "Panne reiht sich an Panne", sagte sie. Matthias Fischbach von der FDP konstatierte, der Minister wirke überfordert.

Zur Kritik am Verzicht auf die Faschingsferien sagte Piazolo, es sei nicht vermittelbar, die Schülerinnen und Schüler bis zu sieben oder acht Wochen zu Hause zu lassen, um dann nach wenigen Tagen der Schulöffnung gleich wieder in die Ferien zu gehen. Das sei pädagogisch nicht sinnvoll. Die Lehrerverbände gaben sich damit nicht zufrieden. "Die Ankündigung, die Winterferien zu kassieren, kommt zur Unzeit", wetterte der Chef des bayerischen Philologenverbandes, Michael Schwägerl.

"Distanzunterricht verläuft vielerorts nach wie vor nicht reibungslos, unter anderem weil die digitale Lernplattform Mebis immer noch nicht ausreichend funktioniert", heißt es in einer Mitteilung der Landesvorsitzenden Martina Borgendale. "Deshalb darf den Lehrkräften in sehr fordernden Zeiten aber nicht noch mehr zugemutet werden", betonte sie.

"Man kann über die Verschiebung unterrichtsfreier Tage nachdenken – aber elf Wochen Unterrichtszeit am Stück belasten Schüler und Lehrkräfte, zumal Distanzunterricht für beide Gruppen eine höhere Belastung darstellt", sagte auch Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands.

Auch von den Eltern kam heftige Kritik: "Die Faschingsferien zu streichen, offenbart aus der Sicht des Bayerischen Elternverbands (BEV) die Hilflosigkeit des Kultusministers angesichts seiner eigenen Erwartung, dass der Distanzunterricht und vor allem die dazu benötigte Plattform Mebis immer noch nicht funktionieren", heißt es in einer Mitteilung des Verbandes.

Dabei kündigte Piazolo am Donnerstag auch Maßnahmen an, um es Schülern und Lehrkräften in den nächsten Wochen ein wenig leichter zu machen. Es werde verbindliche Hinweise für Schwerpunktsetzungen im Lehrplan geben, damit Lehrkräfte und Schüler nicht unter Zeitdruck gerieten, sagte Piazolo. An Realschulen und Gymnasien könne die vorgegebene Zahl der Schulaufgaben in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn reduziert werden.

Schülerinnen und Schüler sollen sich ferner darauf verlassen können, dass nicht prüfungsrelevante Themengebiete auch wirklich nicht in der Prüfung abgefragt werden. Die Lehrkräfte sollen sich ihrerseits darauf verlassen können, dass genügend Zeit für eine angemessene Prüfungsvorbereitung bestehe und nicht jedes Detail im Lehrplan durchgepaukt werden müsse.

Die Abschlussprüfungen - vom Gymnasium bis zu Haupt- und Förderschulen - werden nach hinten verschoben. Auch die Zwischenzeugnisse gibt es nicht bereits am 12. Februar, sondern drei Wochen später, am 5. März. "So können sich Eltern und Schüler darauf verlassen, dass sie einen aussagekräftigen Zwischenbericht über den Leistungsstand erhalten", erklärte der Minister.

Der Termin für das Übertrittszeugnis von den vierten Klassen aufs Gymnasium werde um eine Woche geschoben. Die Viertklässler müssten zudem weniger Proben für den Übertritt schreiben.

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