Max Müller: "Nürnberg ist uns einfach wichtiger"

15.8.2012, 07:00 Uhr
Max Müller:

© Sportfoto Zink

NZ: Sie schreiben jetzt schon seit ein paar Stunden Autogramme. Nervt es Sie nicht irgendwann, „Everybody's Darling“ zu geben?

Max Müller: Nein, überhaupt nicht. Das gehört doch dazu. Das kann einem doch nie zu viel werden, ich genieße das, diese familiäre Atmosphäre. Ich bin fast beschämt, dass die Menschen hier solange warten müssen, bis sie mich mal drücken können.

NZ: Deshalb auch die schnelle Rückkehr per Flieger und kein großer Empfang auf der MS Deutschland?

Müller: Wir haben uns ganz bewusst für Nürnberg entschieden, für unsere Freunde, für die Menschen hier und deshalb gegen die Rückkehr auf der MS Deutschland. Das hier ist uns wichtiger. Es ist doch extrem charmant, dass hier alles ein bisschen familiärer gehalten wird.

NZ: Haben sich gerade auch für so einen Abend zusammen mit Freunden und Weggefährten die ganzen zusätzlichen Trainingseinheiten gelohnt, wenn Sie in die ganzen glücklichen Gesichter blicken?

Müller: Ja, natürlich, auf alle Fälle. Wenn ich vorher sicher gewusst hätte, dass wir Gold gewinnen, hätte ich auch noch mehr gemacht.

NZ: In London haben Sie vor tausenden Zuschauern gespielt, beim NHTC in der Bundesliga ist es immer nur ein Bruchteil davon. Wird sich das nun ändern?

Müller: Wir tun uns schwer, so etwas umzusetzen. Aber ich habe schon die Hoffnung, dass unsere Goldmedaille die Leute anregt, mal zum NHTC zu gehen und nachzuschauen, ob unser Sport nicht auch so schön wie bei Olympia ist. Vielleicht eine Spur langsamer, aber auch sehr schön.

NZ: Vor vier Jahren sind Sie schon mit Gold von den Spielen zurückgekehrt. Haben Sie sich im Vergleich zu Peking 2008 verändert?

Müller: Aus den Erfahrungen von Peking habe ich einiges gelernt. Gerade im Umgang mit den Medien. Mir ist wichtig, wer sich auch so um Hockey kümmert. Ich laufe nicht denen hinterher, denen es nur um Sensationsgeschichten geht. Ich werde mich auch mehr um die Familie kümmern. Sie ist ein wichtiger Teil davon (Müller blickt leicht versonnen auf seine Medaillen). Das will ich sie auch spüren lassen.

NZ: Ihr Vater Martin ist in Nürnberg als Rekordspieler des EHC 80 eine Eishockey-Legende. War es schwierig, mit so einer Vaterfigur aufzuwachsen?

Müller: Er war nur ein Antrieb für mich, auch, wie er mit Menschen umgeht. Ich will meine Kinder später auch mal erzählen hören, was für ein super Sportsmann der Papa war. Mein Vater hat mich nie unter Druck gesetzt. Ich strebe nicht danach, auch noch in 20 Jahren auf der Straße erkannt zu werden. Ich mache das alles nur für mich. Ich werde nie laufen gehen, ohne den Gedanken daran, dass es mir etwas bringt.

NZ: Sie haben sich sehr kritisch mit der Stadt gezeigt und ausbleibende Unterstützung beklagt. Bleiben Sie dabei?

Müller: Die Stadt macht einen sehr guten Job im Breitensport, das ist auch extrem wichtig. Aber wenn jemand sagt, dass sind Nürnberger Medaillen, dann will ich auch, dass er etwas dafür tut. Insofern sind es Medaillen des NHTC. Wenn ich etwas nehme, will ich zuvor auch etwas gegeben haben. Nürnberg ist eine Breitensportstadt. Dieser Kritik bin ich mir bewusst. Aber wenn ich nichts sage, ändert sich auch nichts. Städte wie Berlin oder Hamburg, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht, machen mehr als Nürnberg. Da geht es auch.

NZ: Zielt Ihre Kritik auch in Richtung des Systems der Sportförderung?

Müller: Ich bin 100 Tage im Jahr bei Lehrgängen der Nationalmannschaft, aber ich absolviere 15 Einheiten in der Woche hier in Nürnberg. Da könnte man ansetzen.

NZ: Und das System?

Müller: Man muss natürlich über das ganze System nachdenken. Will man nur hinfahren und bei den Olympischen Spielen dabei sein, kann man so weitermachen. Schaut man aber auf den Medaillenspiegel, sind einem die Erfolge der Athleten wichtig, müssen wir anders arbeiten. Weltklasse kann man nicht sein, wenn man nur ein Hundertstel von dem investiert, was andere leisten. Das ist im Sport nicht anders als in der freien Wirtschaft.

NZ: Wann schaffen Sie es mal, abzuschalten und den Sport und die Gedanken daran, wie man sich und das System verbessern könnte, hinter sich zu lassen?

Müller: Ich habe tatsächlich Urlaub gebucht. Eine Woche Kreta mit meiner Freundin Annalena. Sie ist mein Anker.

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