Cybermobbing

Medienexperte zu "Drachenlord": "Er hat das selbst befeuert"

Julia Ruhnau

nordbayern.de

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21.8.2018, 19:33 Uhr
Hunderte machten sich am 20. August zum Haus des "Drachenlords" bei Emskirchen auf. Dass es soweit kommen konnte, überrascht auch Experten.

© Harald Munzinger Hunderte machten sich am 20. August zum Haus des "Drachenlords" bei Emskirchen auf. Dass es soweit kommen konnte, überrascht auch Experten.

Herr Lutz, wie kann es sein, dass von Millionen Youtubern genau einer zur Zielscheibe von tausenden Hasskommentaren wird?

Klaus Lutz: Es gibt immer wieder Leute, die im Netz auftreten und Hasskommentare abbekommen, auch YouTuber, die fest im Sattel sitzen, wie BibisBeautyPalace (Kanal der YouTuberin Bianca Heinicke, Anmerkung der Redaktion). Die hat vor Kurzem versucht, ihre Schwangerschaft zu vermarkten und wurde dafür wahnsinnig angegangen. Beim sogenannten "Drachenlord" ist es insofern anders, dass er das selbst befeuert hat. Er hat sich zunächst angeboten durch die Art, wie er aufgetreten ist, mit seinem Erscheinungsbild, seiner einfachen Sprache. Das Besondere ist, dass er das zum Format gemacht hat. In diesem Extremfall ist das einmalig. Ohne Schuldzuweisungen machen zu wollen, er hat an dem Rad auch mitgedreht.

Medienexperte zu

© Stefan Hippel

Ist YouTube eine Plattform, die Hater hervorbringt?

Lutz: Hater sind für mich Leute, die persönlichen Profit daraus ziehen, andere Leute zu beleidigen und zu diskreditieren – und zwar jenseits eines persönlichen Streits. Man muss deshalb aber nicht die ganze YouTube-Szene in Frage stellen. Es ist keine Plattform von Hatern, genauso wie ein Fußballstadion kein Platz nur für Hooligans ist. Die meisten Nutzer präsentieren da einfach ihre Hobbys.

Was bringt Menschen dazu, andere im Netz gleich über Jahre hinweg zu beleidigen?

Lutz: Dieses Negativ-Bashing wird oft von Leuten betrieben, die wenig Selbstbewusstsein haben und sich so in ihrer eigenen Persönlichkeit überhöhen. Da kann man sich anschließen, ist auf einmal auf der Seite, die nicht blöd ist.

Was nicht nur im Netz, sondern auch beim Mobbing auf dem Schulhof passiert.

Lutz: Der Unterschied ist die Reichweite. Es ist kein Zufall, dass das auf YouTube passiert ist, einer der meistgenutzten Plattformen unter Jugendlichen. Im Netz gibt es außerdem das Phänomen der Entkopplung von Handlung und Wirkung. Wenn man auf dem Schulhof jemanden beleidigt und der zu weinen anfängt, merkt man vielleicht, da bin ich zu weit gegangen. Diese Hemmschwelle fehlt beim nicht-persönlichen Kontakt. Verletzend ist das aber für den anderen genauso.

Wie ernst muss man solche Hasskommentare nehmen? Immerhin haben sich hier Hunderte Leute zum Sturm auf ein Wohnhaus aufgemacht.

Lutz: Das ist bizarr und für mich schwer nachvollziehbar. Ich glaube aber, dass die Leute hier eher verbal Grenzen überschreiten. Nach dem Pokalfinale liest man auch Kommentare, in denen steht, der Schiedsrichter gehöre erschossen. Das ist ein Phänomen, bei dem Leute ihren Frust rauslassen. Aber Massenaufläufe können natürlich immer kippen.

Wie kommt man aus einer solchen Opferrolle wieder heraus?

Lutz: Man braucht dringend Hilfe von außen. Es gäbe sicherlich einige, die bereit wären, sich auf die Seite des "Drachenlord" zu stellen. Aber das muss er natürlich auch annehmen.

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