Missbrauchskonferenz: Kirche steht dem Glauben oft im Weg

25.2.2019, 12:25 Uhr
Der Papst versprach zum Abschluss der Anti-Missbrauchskonferenz ein Ende der Vertuschung.

© dpa/Vincenzo Pinto Der Papst versprach zum Abschluss der Anti-Missbrauchskonferenz ein Ende der Vertuschung.

Der Gedanke drängt sich auf: Was hätte Jesus wohl zu sagen gehabt, hätte er leibhaftig am Anti-Missbrauchs-Gipfel im Vatikan teilgenommen? Also jener Mann, der nach christlichem Glauben jedem Menschen den Weg gezeigt hat, mit Gott und mit sich selbst versöhnt zu leben. Und der ziemlich ungemütlich werden konnte, wenn ihm Umstände auffielen, die diese befreiende Beziehung nach oben und innen behinderten.

Es ist eine Urfrage der Menschheit, wie gutes Leben gelingt. Das Christentum bietet darauf, der Lehre dieses Jesus folgend, eine Antwort an - ob alleingültig, das möge jeder für sich selbst entscheiden. Sie lautet im Kern: Liebe Gott von ganzem Herzen - und liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Eine Organisation wie die Kirche zieht ihre Existenzberechtigung daraus, dass alles, was sie tut, der praktischen Umsetzung und der Weitergabe dieses Doppelgebots der Liebe dient.

Es hilft, sich das in Erinnerung zu rufen, um zu erkennen, in welch entsetzlichem Ausmaß in all den Missbrauchsfällen die katholische Kirche an zu vielen Stellen versagt hat. Wer seine Macht als Hüter des Glaubens dazu nutzt, seine persönlichen Begierden zu befriedigen, begeht nicht nur Verrat an der eigenen Lehre. Er verrät auch die große Mehrheit der Christen, die sehr wohl in ihrem Alltag nach Kräften die Gottes- und Nächstenliebe in Wort und Tat verwirklichen. Er fördert nicht die Entfaltung des Leben. Er verhindert sie.

Leid über Jahrzehnte

Ganz deutlich zeigen das gerade die Missbrauchsfälle an Kindern, in der Mehrzahl Jungen, wegen derer jetzt ja die katholischen Würdenträger zusammensaßen - eine besonders widerliche Form des Machtmissbrauchs. Wer schon mal mit Opfern sexueller Übergriffe zu tun hatte, weiß, wie tief über die körperliche Verletzung hinaus die Schäden an der Psyche sind, mit denen manche Betroffene über Jahrzehnte zu kämpfen haben.

Entsprechend überfällig ist die Aufarbeitung dieser Verbrechen. Besser hätte so eine Missbrauchs-Konferenz schon vor mindestens 30 Jahren stattgefunden. Immerhin, es macht ein wenig Hoffnung, dass im Vatikan nun ein Papst regiert, der ehrlich gewillt scheint, die vielen Geschwüre der Kirche nicht länger wuchern zu lassen. Man kann dem auch schon 82-jährigen Franziskus nur wünschen, ein wahrhaft biblisches Alter zu erreichen.

Mit Reue fängt es erst an

Weil Reue und Schuldanerkenntnis, wie gerade auf dem Gipfel in Rom geäußert, zwar wichtig sind. Aber damit ist es noch nicht getan. Denn: Der Missbrauch von Kindern ist leider nicht der erste Vorfall, die Kirchengeschichte ist voll von Verfehlungen solcher Dimension. Und gerade die katholische Kirche spielt dabei eine prominente Rolle. Die Sündenfälle wiederholen sich. Ein Zeichen, dass da im System grundsätzlich was faul ist.

Wann findet die Organisation endlich die Kraft, auch ihre Strukturen zu reformieren, die dazu beitragen, dass es ständig zu neuem Versagen kommt? Weniger Hierarchie, Ende des Zölibats, Aufheben des Unfehlbarkeitsanspruchs, mehr Macht den Frauen: Viele Vorschläge liegen auf dem Tisch, oft sogar aus den eigenen Reihen - von der ob der Machenschaften ihres Managements verzweifelnden Kirchenbasis.

Der christliche Glaube kann enorme Kräfte freisetzen, die im Bestfall ganze Gesellschaften zum Glänzen bringen. Seit 2000 Jahren ist es ihr Glaube an die frohe Botschaft Jesu, der Menschen ermutigt, ihre Potenziale auch gegen Widerstände zu entwickeln, Neues zu wagen, Kunst zur Ehre Gottes zu schaffen oder sich der Schwächeren anzunehmen, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine Kirche, die sich darauf besinnt, dies zu fördern, kann daher auch in unseren Zeiten noch segensreich für das Zusammenleben aller wirken, ob Christ oder nicht. Eine Kirche aber, die dem sogar im Weg steht, macht sich überflüssig.

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