NZ-Kommentar 

Noch macht Scholz keine Fehler: Warum die SPD in Umfragen gewinnt

29.8.2021, 14:21 Uhr
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz besucht auf seiner Wahlkampftour die Schaltzentrale von Enertrag. Im Enertrag-Hybridkraftwerk wird grüner Wasserstoff aus Windstrom hergestellt und in das Gasnetz eingespeist. 

© Fabian Sommer, dpa SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz besucht auf seiner Wahlkampftour die Schaltzentrale von Enertrag. Im Enertrag-Hybridkraftwerk wird grüner Wasserstoff aus Windstrom hergestellt und in das Gasnetz eingespeist. 

Bei der SPD wissen sie wieder einmal selbst nicht, wie Ihnen geschieht. Seit der Bundestagswahl 2005, als Angela Merkel Gerhard Schröder im Kanzleramt ablöste, fühlen sich die Sozialdemokraten durch drei Große Koalitionen mit der Union und durch den jedes Profil einebnenden Regierungsstil der CDU-Regierungschefin sukzessive marginalisiert. Miese Wahlergebnisse dienten dafür als Beweis: Dem 2017 mit 20,5 Prozent bis dato schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl folgten mit 9,7 Prozent 2018 das schlechteste Landtagswahlergebnis in Bayern sowie einstellige Werte in Sachsen, Thüringen (2019) und Sachsen-Anhalt (2021); Stimmungsaufheller war der Erhalt der Macht in Hamburg 2020 (39,2 Prozent) und Rheinland-Pfalz 2021 (35,7).

Nun schauen sie nicht nur im Willy-Brandt-Haus in Berlin ungläubig-frohlockend auf die aktuellen Umfragen, die der SPD auf einmal verheißen, nicht nur deutlich über 20 Prozent zu schaffen, sondern auch noch stärkste Partei werden zu können. Und Olaf Scholz darf sich berechtigte Hoffnungen machen, Kanzler zu werden. Wie ist das zu erklären?


SPD klettert in Umfrage auf 24 Prozent


Dass es nicht die eigene Stärke ist, die die SPD nach oben hievt, sondern eher die Schwäche der Konkurrenz, wie es der von den Sozis zu den Liberalen gewechselte Harald Christ kürzlich in dieser Zeitung sagte, ist ein Hauptgrund. Annalena Baerbock und Armin Laschet haben durch eigene Fehler Zweifel an ihrer Eignung für das Kanzleramt gesät.

Olaf Scholz hingegen muss nicht mehr tun, als keine Fehler zu machen - und darauf hoffen, dass von den beiden Linksauslegern an der SPD-Spitze, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, im Wahlkampf weiter nichts zu hören ist. Scholz ist gar nicht darauf aus zu polarisieren, die SPD mit markigen Worten von der Union abzugrenzen oder die Grünen einzuhegen; er bleibt in Debatten bisher ruhig, konzentriert und wirbt mit seiner unbestrittenen Erfahrung in Regierungsämtern für sich.

Die Kritik an dem von ihm geführten Bundesfinanzministerium in der Affäre um den implodierten Zahlungsdienstleister Wirecard und seine unklare Rolle als ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg im Cum-Ex-Finanzskandal - einer darin verwickelten Hamburger Privatbank waren Steuern in Höhe von 47 Millionen Euro erlassen worden - haben ihm bisher nicht geschadet. Ist halt auch alles recht kompliziert...

Wen wählen? Der Umfragetrend spricht derzeit für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.

Wen wählen? Der Umfragetrend spricht derzeit für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. © Arne Dedert, dpa

Die beiden Unions-Wahlkämpfer Armin Laschet und Markus Söder suchen ihr Heil deshalb darin, vor einer Linksfront unter Führung eines Kanzlers Scholz zu warnen. Die will der SPD-Mann nicht dezidiert ausschließen; wenn Scholz aber gleichzeitig versichert, dass für ihn die transatlantische Partnerschaft, die Mitgliedschaft Deutschlands in der Nato und eine wachsende Wirtschaft "unabdingbar" seien, dann müsste er konsequenterweise die Linken bei einer eventuellen Regierungsbildung außen vor lassen. Der Tag der Wahrheit wird kommen.

stephan.sohr@pressenetz.de

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