"Paradise Papers": Kaum ein Skandal ist größer

6.11.2017, 10:42 Uhr
Angeblich parken Milliardäre zehn Prozent des weltweiten Reichtums in Steueroasen.

© Silas Stein/dpa Angeblich parken Milliardäre zehn Prozent des weltweiten Reichtums in Steueroasen.

Mit den Enthüllungen der "Paradise Papers" über die Milliardensummen, die nach wie vor in Steuerparadiesen wie den Bermudas verschwinden, ist es ähnlich wie mit den blutigen Amokläufen in den USA.

Ganz kurz schaffen sie es auf die Titelseiten der Zeitungen und auf Platz eins in Nachrichtensendungen. Kurz ist die Aufregung groß. "Es muss sich endlich etwas ändern", fordern viele. Und wenige Tage später scheint alles schon wieder vergessen, weggespült vom ständigen Strom an Neuigkeiten.

Es ist ganz eigenartig. Wer beobachtet, mit welcher Hartnäckigkeit auch in Deutschland etwa über Flüchtlingsobergrenzen gestritten wird, muss sich wundern, wie die meisten Parteien die fortgesetzte Steuervermeidung mit einem Achselzucken quittieren – als wäre es ein Naturgesetz, gegen das man leider nichts ausrichten kann. Und auch die Bürger lassen sich leicht von anderen, viel unwichtigeren Dingen ablenken.

Nicht nur US-Multis

Dabei muss man sich nur einmal sie Summen ansehen, um die es hier geht. Nach den bisherigen Erkenntnissen verschieben internationale Konzerne pro Jahr rund 600 Milliarden Euro in Steuerparadiese. Es sind nicht nur US-Multis wie Apple, Facebook oder Nike, die auch in den jüngst enthüllten Dokumenten wieder auftauchen.

Auch etliche deutsche Konzerne sind vertreten, darunter die Deutsche Bank, Siemens, die Allianz-Versicherung, der Pharmariese Bayer, der Autoverleiher Sixt, die Deutsche Post oder die Hotelkette Meininger. Dazu eine ganze Reihe deutscher Superreicher.

Angeblich parken Milliardäre zehn Prozent des weltweiten Reichtums in Steueroasen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie damit eine ganze Vielzahl von Problemen auf diesem Globus gelöst oder zumindest gelindert werden könnte.

Auch in einem reichen Land wie Deutschland gibt es Schulen, in denen der Putz von den Wänden blättert, etliche Städte können ihre Straßen und Brücken nicht mehr instandhalten, unser Rentensystem unfinanzierbar, wird uns vorgerechnet. Überall fehlt angeblich das Geld – doch das stimmt nicht.

Noch genügend Schlupflöcher

Zwar sind einige Schlupflöcher in den vergangenen Jahren geschlossen worden. Doch es gibt noch genug Ausweichrouten. Einige davon sind mitten in Europa. Wer Millionensummen an der Steuer vorbeischleusen will, kann auch mitten in der EU fündig werden.

Er kann sein Geld beispielsweise auf die britische Isle of Man umleiten. Großkonzerne nutzen gerne auch ganz legale Möglichkeiten in den Niederlanden, um ihre Steuerlast auf knapp über null Prozent zu drücken. In den jetzt enthüllten Dokumenten findet sich auch eine bezeichnende Mail aus dem Haus des Apple-Konzerns. Dort wird als Ziel ausgegeben, ein Land ausfindig zu machen, in dem garantiert keine Steuern anfallen.

Um diese skandalösen Praktiken zu enthüllen, brauchte es nicht nur Informanten, die die brisanten Dokumente an große Medienhäuser weiterleiteten. Es brauchte auch eine enorme Zahl an Journalisten, die sich monatelang durch diese 13,4 Millionen Daten wühlten. Doch was hilft das, wenn es in 14 Tagen schon wieder heißt: "War da was?"

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