Politischer Aschermittwoch 2021: Söders Wohnzimmer und Aiwangers Lockdown

17.2.2021, 17:16 Uhr
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält beim Politischen Aschermittwoch der Partei einen Maßkrug in die Kamera.

© Peter Kneffel, dpa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält beim Politischen Aschermittwoch der Partei einen Maßkrug in die Kamera.

Markus Söder sitzt in seinem Passauer Wohnzimmer, einen 1.FC Nürnberg-Wimpel hinter sich, ein Kreuz über der Tür, ein Roboter-Modell aus Star Wars vor dem Kachelofen. Und so redet er dann auch: ruhig, getragen, ohne Gepolter.

Markus Blume wird später auf Nachfrage erklären, es sei "eine Rede vom Wohnzimmer ins Wohnzimmer" gewesen, zu den Leuten zuhause an den Bildschirmen. "Man schreit ja nicht ins Wohnzimmer", fügt der CSU-Generalsekretär an. Doch Söders Auftritt ist nicht nur der Corona-Pandemie und ihren Beschränkungen geschuldet, die ein Publikum vor Ort verbieten. "Er sieht sich auf einer Mission", sagt Blume. Da sei "die neue CSU-Handschrift in Ton und Inhalt erkennbar". Und die gelte über den Tag hinaus.

Hubert Aiwanger steht ein paar Kilometer weiter vor einem leeren Saal, für ihn kein einfaches Setting für eine Aschermittwochsrede. Doch der Chef der Freien Wähler bleibt sich treu, poltert, schimpft, fordert. Dass die Grünen "nur noch Einfamilienhäuser für die grüne Schickeria" wollten, "nicht aber fürs Volk", das erinnere "an die DDR". Er schimpft, warum der Lkw-Fahrer an der tschechischen Grenze umkehren müsse, "nur weil er nicht die richtigen Papiere hat", während "der IS-Kämpfer ins Land darf". Und er greift die Medien an, die alles nur schlecht redeten und ihn als "verantwortungslosen Populisten" verunglimpften.

Markus Söder macht dergleichen nicht. Er erklärt sich, mal in abwägender, mal in betroffener Tonlage; er redet tatsächlich, als säße er bei jemandem im Wohnzimmer. Eine Stunde wird das so gehen, eine Stunde über das Corona-Virus und darüber, warum Söder diesen Weg gewählt hat. Er räumt Fehler ein, natürlich nicht bei sich, bei anderen. Die Pannen bei den Tests im Sommer beispielsweise. Die Brüsseler Blamage rund um den Impfstoff. Oder wie peinlich es ist, dass Berlin die Novemberhilfen erst im März auszahlen wird.

Frohnatur Laschet

Da ist es für Söders Zuhörer fast ein Glück, dass vor ihm die rheinische Frohnatur Armin Laschet reden durfte. Der ist CDU-Chef und der erste, der in dieser Funktion beim politischen Aschermittwoch der CSU auftritt, auch ein Signal der neuen CSU an die Welt. Laschet weiß, was sich gehört, kein böses Wort kommt ihm über die Lippen. Und von der Söderschen Schwermut dieses Tages ist er weit entfernt. Er sagt, es sei "eine besondere Freude", dass er "diesen Olymp des politischen Lebens betreten darf". Er lobt das enge Verhältnis, das CDU und CSU unterhielten. Und er glaubt, "dass die Union den nächsten Kanzler stellen" werde. Nur wie der heißt, das sagt er nicht.

Kein Wort von ihm zu seinen eigenen Ambitionen. Und keines von Markus Söder. "Ich werde weiter rund um die Uhr für die CSU arbeiten", wird Söder sagen. "Ich bleibe der CSU-Familie immer treu." Das gelte für Bayern, auch wenn er "natürlich" als CSU-Chef "den bundesweiten und den europaweiten Anspruch mitgestalten" müsse. Eine Bewerbung für's Kanzleramt klingt anders.

Zwei, drei Spitzen hat Söder natürlich auch eingepackt. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wirke eher "Blutdruck senkend" als anregend, etwa. Oder, dass er auf die Grünen ganz gut verzichten könnte – auch wenn er sie dann später als wahrscheinlicheren Partner für Berlin einstuft. "Um das Grüne in Bayern kümmern wir uns als CSU", betont Söder, über den sein Generalsekretär zuvor gesagt hatte, er sei "kein neuer Grüner, er ist ein moderner Schwarzer".

Sanfte Witze

Für ihn ist "Bayern ein grünes Land ohne Grüne im Amt", und das könne so bleiben. "Ich umarme Bäume auch lieber als Toni Hofreiter", witzelt Söder. Und dass Grünen-Chefin Annalena Baerbock schon erklärt hat, sie könne Kanzlerin werden, ohne jede Regierungserfahrung, das sei in etwa soll, als ob einer nach der Fahrschule direkt in die Formel Eins einsteigen wolle.


Söder am Politischen Aschermittwoch: "Um das Grüne im Land kümmern wir uns"


Es ist Söders Zugeständnis an den politischen Aschermittwoch, ein eher zahmes Zugeständnis. Über lange Strecken hält er eine Regierungserklärung, ein rechtfertigendes Plädoyer in eigener Sache. Und gelegentlich blitzt durch, wie sehr er sich über jene ärgert, die nach schnellen Lockerungen rufen, auch in den eigenen Reihen, in der eigenen Koalition.

Nicht nur Söder hat seinen Partner Hubert Aiwanger vor Augen, als er sagt, es gebe jene, die mal "eine zweite Welle" bestritten haben oder glaubten, Skipisten seien "weniger gefährlich als Gottesdienste". Wer meine, er könne jetzt öffnen, der irre: "Alle, die das getan haben, sind im dritten Lockdown", in der dritten Welle.

Unnötiger Lockdown

Hubert Aiwanger bremst das nicht. Seit Monaten tourt er nach jeder Kabinettssitzung durch die Lande und fordert Öffnungen, die er zuvor nicht eingeklagt hatte. Beim politischen Aschermittwoch geht er sogar einen Schritt weiter und stellt den Sinn des Lockdowns insgesamt in Frage. Der habe zig Milliarden gekostet, sagt der FW-Chef, "die hätten wir uns sparen können". Abstandsregeln, Hygienekonzepte, dazu FFP2-Masken – und schon wären in Aiwangers Welt alle Geschäfte offen geblieben.

Weil dem nicht so war, will er sie wenigstens jetzt öffnen, "deutlich vor Ostern", den Tourismus "allerspätestens" zu Ostern wieder hochfahren, inklusive Hotels. Säße Markus Söder nicht ein paar Kilometer weiter in seinem digitalen Wohnzimmer, sondern am Rednerpult, er hätte Aiwanger vielleicht anders geantwortet. So belässt er es bei einer deutlichen Warnung vor den Folgen, ohne dass er ihn namentlich auch nur erwähnt. Da bleibe er lieber "weiter im Team Vorsicht", sagt Söder mit seinem ungewohnt milden Wohnzimmerblick. Und formuliert am Ende einen Satz, der wirklich nicht mehr zum politischen Aschermittwoch passt: "Ich meine es nicht böse. Ich meine es wirklich nur gut für unser Land." Ausgerechnet in Passau, ausgerechnet beim Hochamt der bösen Worte findet Söder so einen Schluss. Manche zuhause in ihren Wohnzimmern werden sich verwundert die Augen gerieben haben.

Verwandte Themen


Keine Kommentare