Preis an Soltani: Feier für fernen Helden

5.10.2009, 00:00 Uhr
Preis an Soltani: Feier für fernen Helden

© Matejka

Die Szene spricht für sich: Da steht eine Frau, kaum 1,60 Meter groß, mit schwarz-weißem Kostüm, Kopftuch und einer Urkunde in der Hand auf der Bühne des Nürnberger Opernhauses. Um sie herum erheben sich das Philharminische Orchester und alle Gäste des Festaktes und spenden minutenlang Applaus.

Er gilt ihr, mehr noch aber jenem Mann, dessen Porträt überlebensgroß im Hintergrund auf einer Leinwand erscheint: Abdolfattah Soltani. Der iranische Anwalt und langjährige, enge Mitarbeiter von Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi ist der achte Träger des Internationalen Menschenrechtspreises der Stadt.

Entschlusskraft und Durchhaltevermögen

Doch es blieb dem 55-Jährigen verwehrt, die von NN-Verleger Bruno Schnell mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung persönlich entgegenzunehmen. In letzter Minute hatte ihm das Regime die Ausreise verwehrt und am Teheraner Flughafen seine gültigen Papiere entzogen. So musste seine Frau alleine nach Deutschland reisen und die Nürnberger Ehrung stellvertretend annehmen – dabei strahlte sie in aller Bescheidenheit nicht weniger Entschlusskraft und Durchhaltevermögen aus als es alle von ihm selbst erwartet hätten.

In ihrer Dankesrede betont Soltanis Frau, Masoumeh Dehgan, es sei der Wunsch Gottes, dass die Menschen in Frieden und Freiheit leben. Dass es in ihrem Heimatland, obwohl er sich als Gottesstaat bezeichne, Taten gebe, «die mit Gott und Religion nichts zu tun haben«, bedauere sie zutiefst. Die Menschheit sei doch nichts anderes als ein Körper; wenn ein Glied leide, bleiben die anderen nicht verschont.

Nicht nur optisch, auch mit der Stimme präsent

Ihr Mann, der durch unerschrockenes Anprangern von staatlicher Willkür und die Verteidigung von gewaltlosen politischen Gefangenen bekannt geworden ist, ist beim Festakt aber nicht nur optisch, sondern auch mit seiner Stimme präsent: «Lassen Sie uns Hand in Hand uns für die Verbreitung der Weltkultur der Menschenrechte anstrengen«, wendet er sich ein wenig pathetisch, aber doch tiefernst in einer am Vorabend vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichneten Telefonbotschaft an die Nürnberger und alle Gäste.

Und er verbindet seine Bitte, seinen Dank und seine Grüße mit der Vision, dass «wir dann das Lied der Befreiung von Diskriminierung, Gewalt und Tyrannei singen und uns über den Frieden und die Gerechtigkeit freuen«. Und er schließt mit Versen, die er während seiner über zweimonatigen Haft im Sommer notiert hatte: «O Du Freiheit, was machst Du im Käfig...«

«Demonstration für die Freiheit«

Kein Wunder, dass der Festakt als die vielleicht emotionalste aller bisherigen Preisverleihungen empfunden wurde, wie Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly urteilte. Er selbst hatte dazu eine gute Portion beigesteuert. Denn das Reiseverbot für Soltani ist ja nur ein Beleg mehr für den Unrechtscharakter des Regimes um Präsident Mahmud Ahmadinedschad – für Maly ein Grund mehr, den Festakt und das Friedensmahl bewusst auch als «Demonstration für die Freiheit« zu begehen – «für Soltani wie für Freiheit und Demokratie im Iran«.

Sein Aufruf sollte sich erfüllen – von den Reden über Mozarts Musik bis zur Friedenstafel spannte sich ein stimmiger Bogen, der nicht nur den Mut und das Engagement des Juristen würdigte, sondern allen den Rücken stärkte, die sich im Iran und weltweit für die «unteilbaren« Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzen.

Maly: Kein Land kann dauerhaft abgeschottet werden

Beides, so Maly, sei unerlässlich, um Frieden und Freiheit zu erreichen. «Und ich bleibe Optimist: Kein Land kann dauerhaft vom Rest der Welt abgeschottet werden.« Der Weg der Menschen im Iran verdiene «unsere aktive Unterstützung«. Vielleicht hilft dabei gerade in diesen Tagen die Erinnerung an Rechtsbeugung, behördliche Willkür und fehlende Reisefreiheit, wie sie einst auch in Deutschland als «Kernelemente von Unrechtsregimes und Diktaturen« den Bürgern zu schaffen machten.

Stellvertretend für Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier versprach Staatsminister Günter Gloser, die Bundesregierung werde im beharrlichen Dialog mit Teheran – gerade auch angesichts der atomaren Bedrohung – auch auf die Einhaltung der von Iran selbst eingegangenen Verpflichtungen pochen. Als besonders schwer wiegenden Affront geißelten Innenminister Joachim Herrmann und Prof. Leandro O. Despouy die Leugnung des Holocausts durch Ahmadinedschad. «Doch all die Verbrechen werden nicht ungestraft bleiben«, zeigte sich die Präsidentin der Internationalen Menschenrechtsliga, Souhayr Belhassen, in ihrer Laudation auf Soltani überzeugt.

Vom Festakt durch die «Straße der Menschenrechte« zur Friedenstafel

Gerührt und beeindruckt zeigten sich nach der Feier nicht zuletzt zahlreiche Exiliraner wie der Schriftsteller und Journalist Soheil Asefi, der vorübergehend in Nürnberg arbeitet, oder Fatemeh Krichel vom hiesigen Komitee für die Unterstützung der iranischen Bewegung für Freiheit und Demokratie.

Ins Schwärmen geriet der israelische Künstler Dani Karavan, zugleich Gründungsmitglied der Jury für den Menschenrechtspreis: Dass ein Werk wie seine «Straße der Menschenrechte« eine solche Ausstrahlung entfalten würden, habe er nie zu hoffen gewagt. Durch seine Säulenallee führte denn auch der Weg vom Festakt zur Friedenstafel. Dass dort soviele Menschen Anteil nehmen, habe sie, sagte Masoumeh Dehgan, «sehr berührt«.

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