Bayern debattiert über weitere Lockerungen

"Realitätsverlust" und "scheinheilig": Holetschek kritisiert Lauterbach stark

28.11.2022, 10:25 Uhr
Karl Lauterbach kritisiert den Corona-Kurs des Freistaat Bayerns stark.

© Britta Pedersen, dpa Karl Lauterbach kritisiert den Corona-Kurs des Freistaat Bayerns stark.

Seit geraumer Zeit spricht sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bereits für das Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn aus. "Wir sind der Überzeugung, dass auch die Maskenpflicht im ÖPNV entweder Mitte Dezember oder Anfang des nächsten Jahres, wenn die Zahlen halbwegs stabil bleiben und es keine neuen Mutationen gibt, auslaufen könnte", sagte Söder am vergangenen Montag nach einer Videoschalte des CSU-Vorstands.

Geforderte Lockerung der Länder ist "leichtsinnig"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dagegen kritisiert Bayerns Corona-Kurs stark und will sich von den Ländern nicht zu weiteren Lockerungen drängen lassen. Die Abschaffung der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr wäre "leichtsinnig", erklärte der SPD-Politiker in einem Interview mit BR24. Aus diesem Grund wird die Maskenpflicht im Fernverkehr weiterhin bestehen bleiben.

Mitte November ist in Bayern sowie drei weiteren Bundesländern die Corona-Quarantäne gefallen. Nun gehen in Bayern und Schleswig-Holstein die Gespräche über das Ende der Maskenpflicht im ÖPNV weiter. Lauterbach kritisierte die Politik erneut scharf. "Immer wieder dieser Überbietungswettbewerb: Wer ist der Lockerungsweltmeister?", so der Bundesgesundheitsminister im Gespräch mit dem Sender. Die Vorgehensweise sei ein Stück weit "sehr populistisch" und gefährlich für Risikogruppen.

Bereits das Ende der Isolationspflicht sei äußerst gefährlich gewesen. Die vulnerablen Gruppen wurden dabei außer Acht gelassen, erklärt Lauterbach gegenüber Kölner Stadt-Anzeiger. "Wir haben in Deutschland allein über 500.000 Krebskranke pro Jahr, für viele von ihnen kann eine Corona-Infektion lebensbedrohlich werden." Das gleiche gelte für Diabetes-Patienten. "Viele von ihnen gehen täglich zur Arbeit, und auch für sie muss der Arbeitsplatz ein sicherer Ort sein."

Kritik aus Bayern

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek ist jedoch anderer Meinung und weist die Kritik des SPD-Politikers lautstark zurück. "Uns hier Populismus vorzuwerfen, zeugt von einem gewissen Realitätsverlust", so Holetschek auf Anfrage von BR24 - das Infektionsschutzgesetz der Ampel-Koalition habe den Ländern bei den Maßnahmen freie Hand gegeben. "Wir Länder haben mehrfach um klare Leitplanken des Bundes gebeten, interessiert hat das in der Ampel aber leider niemanden. Uns jetzt vorzuwerfen, dass wir dies nach bestem Wissen und Gewissen machen, ist scheinheilig."

Die Isolationspflicht für Corona-Positive wurde vor rund einer Woche gegen den Willen Lauterbachs abgeschafft. Holetschek betont, dass die Aufhebung ein sorgfältig abgewogener Schritt sei. "Wir wägen ab mit unseren eigenen Landesinstituten, befragen Experten, beobachten die Lage und dann treffen wir Entscheidungen. Das ist der ganz normale Prozess zwischen Eingriffen in die Freiheit oder mehr Eigenverantwortung", erklärt der bayerische Gesundheitsminister im Gespräch mit dem ZDF Mittagsmagazin.

Vorsicht sei nach wie vor angebracht, jedoch solle der SPD-Politiker "die Menschen nicht permanent in Panik versetzen", so Holetschek gegenüber BR24. Stattdessen soll ihnen eine realistische Perspektive für Normalität geboten werden. Dies soll nichts mit Populismus zu tun haben, sondern mit verantwortungsvoller Politik. "Wir müssen auch rechtlich abwägen, dürfen wir noch in die Freiheit des Einzelnen eingreifen", so Holetschek gegenüber dem Mittagsmagazin. Mittlerweile sei die Pandemie in einem anderen Stadium angekommen. "Viele Genesene, viele Geimpfte – deswegen ist jetzt tatsächlich die Lage anders als vor einem Jahr noch.“

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