Reform von Paragraf 219a: Kompromiss macht's für Frauen noch schwerer

22.2.2019, 14:12 Uhr
Reform von Paragraf 219a: Kompromiss macht's für Frauen noch schwerer

© dpa/ Kay Nietfeld

 Ja, es sieht ganz danach aus. Denn die Große Koalition hat auf ihrem Weg zur Überarbeitung des Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a eine klare Botschaft ausgesandt: Schwangerschaftsabbruch ist keine Privatsache. Da will der Staat weiter gewaltig mitreden. Und wenn eine Frau ihren "Egoismus" auf diese Weise schon auslebt, soll der Weg dorthin wenigstens möglichst kompliziert und belastend sein.

Das wiederum hat viele - auch junge - Frauen dazu gebracht, wütend die alten Parolen auszupacken. Hat die ganze Palette der schon seit jeher emotional aufgeladene Abtreibungs-Diskussion zurückgeholt. Dabei ging es doch offiziell gar nicht ums große Ganze, also um den verzwickten Paragrafen 218, der zwar den Abbruch an sich unter Strafe stellt, aber regelt, wann er doch ausnahmsweise zulässig ist. Sondern es ging lediglich um das Verbot für Ärzte, die Abtreibungen durchführen und daher damit Geld verdienen, ihre Patienten über dieses Angebot zu informieren. So wie sie - etwa auf ihren Internetseiten - auch über andere ärztliche Leistungen informieren.

Wissen in Häppchenform

Doch genau dieses Informationsverbot galt unter Frauen als eindrucksvoller Nachweis dafür, dass sie bei ungewollter Schwangerschaft eben nicht frei entscheiden können, was der beste Ausweg aus ihrer Notsituation ist. Sondern dass Abtreibung nach wie vor als moralisch verwerflich gilt; und das Frauen, die sich - nach intensiver Abwägung - trotzdem dafür entscheiden, danach einen Makel tragen. Der Kompromiss, der Donnerstag schlussendlich vom Bundestag verabschiedet wurde, ändert daran kein bisschen.


Kommentar: Reformiert endlich den Abtreibungs-Paragrafen!


Im Gegenteil: Er macht die Situation für Schwangere noch komplizierter. In Zukunft sind zwar etwas mehr Informationen öffentlich zugänglich. Doch die Ratsuchenden - und es geht hier schließlich um Frauen in einer Ausnahmesituation, in der zudem der Faktor Zeit eine Rolle spielt - müssen sie häppchenweise zusammentragen. Sie müssen sich mühsam durch Listen und Internetseiten arbeiten.

Dabei ist es doch vor einer solch schwierigen Entscheidung wichtig, möglichst leicht an gute, sachliche Informationen heranzukommen. Je nach Charakter am Anfang sogar, ohne mit jemand sprechen zu müssen. Und dann möglichst schnell Menschen zu finden, die sachkundig beraten können.

Verknüpfung war Fehler

Die alle Vor- und Nachteile, alle Risiken aufzeigen und erklären können. Solche Experten arbeiten in den etablierten Beratungsstellen - aber eben auch in Arztpraxen. Der Union ging es in dem Kompromiss darum, die Rolle der Beratungsstellen nicht zu schwächen. Sie sollen weiter der zentrale Ort der Kommunikation über eine mögliche Abtreibung bleiben - und vor allem der Kommunikation über Hilfsmöglichkeiten, falls die Frau doch überlegt, das Kind auszutragen.


Wie Nürnberger Beratungsstelle gegen Paragraf 219a kämpft.


Aber so anerkannt deren Arbeit ist: Gerade, wer in der ersten Phase einer ungewollten Schwangerschaft breiten Beistand findet; wer spürt, dass er von einem Netzwerk aufgefangen wird, fasst meistens schneller wieder Mut. Traut sich die Aufgabe, (noch) ein Kind groß zu ziehen, vielleicht doch zu. Mehr über die psychischen Folgen von Abtreibungen zu wissen, kann in dieser Abwägungsphase durchaus weiterhelfen.

Dass Gesundheitsminister Jens Spahn das besser erforschen lassen will, macht also Sinn. Doch das mit der Änderung von 219a zu verknüpfen, war ein Fehler. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. So wie es jetzt gelaufen ist, wirkt der Plan für die Studie wie eine politische Drohkulisse. Eine Drohkulisse, die nichts anderes übrig ließ, als die altbekannten Frauenparolen wiederzubeleben.

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