Rettungsboote: Sea Eye setzt Einsätze im Mittelmeer aus

13.8.2017, 15:48 Uhr
Nach Ärzte ohne Grenzen will auch die Regensburger Organisation Sea Eye vorerst keine Einsätze zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen im westlichen Mittelmeer mehr fahren.

© Bram Janssen/AP/dpa Nach Ärzte ohne Grenzen will auch die Regensburger Organisation Sea Eye vorerst keine Einsätze zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen im westlichen Mittelmeer mehr fahren.

Nachdem die libysche Regierung eine unbestimmte und einseitige Ausdehnung ihrer Hoheitsgewässer angekündigt hatte - verbunden mit einer expliziten Drohung an private Nichtregierungsorganisation, teilte die Regensburger Gruppe am Sonntag mit, dass sie vorerst keine weiteren Einsätze fahren wird. "Nachdem die libysche Küstenwache in der Vergangenheit schon öfter auf Flüchtlingsboote und auch auf Rettungsschiffe geschossen hat, können wir dieses Risiko nicht mehr auf uns nehmen und dieses Gebiet weiterhin befahren. Das sind wir unseren Crews, der Sicherheit unserer Leute schuldig", sagte Sea-Eye-Sprecher Hans-Peter Buschheuer der Deutschen Presse-Agentur. Die Hilfsorganisation sprach von einer "tödlichen Lücke" im Mittelmeer, weil die Chance auf Rettung nun geringer wird. Dieses Jahr starben bereits mehr als 2400 Menschen auf der Route.

Ärzte ohne Grenzen hatte am Samstag mitgeteilt, den Mittelmeer-Einsatz zu unterbrechen. Zur Begründung hieß es, die zentrale Seenotrettungsleitstelle in Rom (MRCC) habe die Hilfsorganisation vor Sicherheitsrisiken in Verbindung mit Drohungen der libyschen Küstenwache gewarnt, die sich gegen die Schiffe humanitärer Organisationen in internationalen Gewässern vor der Küste des Bürgerkriegslands richteten.

"Für NGOs wird das Klima auf dem Mittelmeer immer feindseliger. Das wird eine riesige Lücke in die Such- und Rettungskapazitäten reißen und Menschenleben fordern", twitterte Ärzte ohne Grenzen. Wie Sea Eye bezog sich die Organisation auf Berichte, wonach libysche Behörden ihre Kontrolle auf internationale Gewässer ausweiten wollen und diese Ankündigung mit einer expliziten Drohung gegen die humanitären Schiffe verknüpften.

Mittlerweile zog auch Save the Children nach. Die Organisation will ihr Schiff so lange im Hafen von Malta lassen, bis es Klarheit über die Sicherheitslage gibt.

Spanische Organisation will weitermachen

Die libysche Küstenwache bekräftigte ihren Vorwurf, dass einige Organisationen mit Schleppern zusammenarbeiteten. "Wir haben keine Beweise. Aber es ist schon merkwürdig, dass keine Flüchtlingsboote unterwegs sind, wenn die libysche Küstenwache auf See ist, aber Schiffe dieser Organisationen in der Nähe sind", sagte der Sprecher Ajub Kasim der Deutschen Presse-Agentur. Die Anweisung an ausländische Schiffe, nicht in die von Libyen eigenmächtig erweiterte Such- und Rettungszone für die Boote mit Migranten einzudringen, stimme mit internationalem Recht überein.

Die spanische Proactiva Open Arms will dagegen weiterretten. "Für uns ändert sich nicht viel im Vergleich zu den vergangenen Wochen", sagte Riccardo Gatti der Zeitung La Repubblica. "Wir werden unsere Rettungseinsätze ohne Pause fortführen." Nach Angaben der Organisation war ihr Schiff in der vergangenen Woche im Mittelmeer von der libyschen Küstenwache mit Warnschüssen bedrängt worden.

Für Ärzte ohne Grenzen scheint die Sicherheit nicht der einzige Beweggrund zu sein, die Mission der "Vos Prudence" zu unterbrechen. "Das Problem ist die absurde und rücksichtslose politische Linie der italienischen Regierung und von Europa, um das Migrationsproblem zu lösen", sagte Stefano Argenziano, der für Ärzte ohne Grenzen Migrations-Projekte koordiniert, La Repubblica. "Die Libyer können ohnehin bereits mit der Unterstützung Europas und Italiens machen, was sie wollen. Wir wollen nicht Teil dieses illegalen, abartigen und unmenschlichen Mechanismus sein." Ein medizinisches Team werde aber an Bord des Rettungsschiffs "Aquarius" von SOS Méditerranée bleiben.

Sea-Eye kritisiert EU

Seit Anfang August unterstützt die italienische Marine die libysche Küstenwache technisch und logistisch. Die Regierung in Rom erhofft sich von dem Einsatz, dass weniger Migranten nach Italien kommen - und die Zahlen sprechen dafür: In den ersten zwei Augustwochen sind bislang erst etwas mehr als 1700 Menschen in Italien angekommen. Im gesamten Juli waren es 11.459, im Juni noch 23.526.

Ärzte ohne Grenzen forderte die EU und insbesondere Italien auf, von Strategien abzusehen, die "Menschen in einem Bürgerkriegsland einsperren, ohne deren Bedürfnisse nach Schutz und Unterstützung in Betracht zu ziehen". Sea-Eye-Sprecher Buschheuer warf der EU vor, die Lage "massiv verschlimmbessert" zu haben. "Sie haben dieses Regime (...) mit unendlich viel Geld ausgestattet, damit die die Drecksarbeit für die EU machen." Es sei davon auszugehen, dass dies die Flüchtlinge nicht davon abhalte, sich auf den Weg zu machen.

Der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos forderte unterdessen eine "strengere und effektivere Politik für Rückführungen", wie er den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte. "Das ist ein unverzichtbarer Aspekt einer gut funktionierenden Migrationspolitik." Migranten, die keinen internationalen Schutz benötigten, in ihre Heimatländer zurückzuschicken, sei unerlässlich, um das öffentliche Vertrauen in das Asylsystem der EU zu wahren.

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