Rücktritt von Theresa May: Schwanengesang in der Downing Street

24.5.2019, 18:40 Uhr
Die britische Premierministerin Theresa May hat keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse gefunden. (Symbolbild)

© Stefan Rousseau, dpa Die britische Premierministerin Theresa May hat keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse gefunden. (Symbolbild)

Beim Schlusssatz ihrer Abschiedsrede kamen Theresa May die Tränen: "Es war die große Ehre meines Lebens, dem Land zu dienen, das ich liebe", sagte sie mit brechender Stimme, als sie ihren Rücktritt vom Parteivorsitz für den 7. Juni verkündet hatte.

Gewissermaßen hatte ihr der Staatsbesuch von Donald Trump Anfang Juni noch eine kurze Galgenfrist ermöglicht, bevor die innerparteilichen Kämpfe um die Nachfolge der zweiten Premierministerin in der britischen Geschichte beginnen. Auf dem gleichen Platz vor der schwarzen Tür der Downing Street, wo jetzt Theresa Mays Schwanengesang erklang, verhieß sie bei ihrem Amtsantritt im Juli 2016 dem Königreich eine glorreiche Zukunft nach dem Austritt aus EU. Über den Scherbenhaufen, den sie jetzt hinterlässt klaget sie nun: "Ich habe alles getan, um das Parlament zu Annahme des Austrittsabkommens zu bewegen. Traurigerweise ist es mir nicht gelungen. Deswegen wurde mir klar, dass es im besten Interesse unseres Landes ist, wenn ein neuer Regierungschef diese Anstrengungen übernehmen wird."

Mehr als ein Dutzend Männer und Frauen interessieren sich schon für den Job, der für Theresa May eine einzige Kette von Fehlschlägen und Demütigungen war. Viele von ihnen überhäuften die Premierministerin, der sie einen politischen Tod durch tausend Schnitte zugefügt hatten, nun mit überschwänglichen Lob für ihren Patriotismus und ihre Pflichterfüllung. Labour-Chef Jeremy Corbyn hingegen zeigte keine falsche Pietät als er sagte: "Sie hat völlig beim Brexit gegenüber dem Land versagt und war unfähig das Leben unserer Bürger zu verbessern."

Die tragisch gescheiterte Premierministerin begann ihr Amt mit einem großen Vertrauensvorschuss. "Ich bin Theresa May und die beste Person für diesen Job" hatte sie sich für die Nachfolge David Camerons beworben, der wegen des verlorenen Referendums über die EU-Mitgliedschaft zurückgetreten war. Für die in Brexit-Befürworter und Gegner gespaltene konservative Partei, war sie jedoch ein Kompromiss, der die verfeindeten Lager und die in der EU-Frage zerrissene Nation wieder einigen könnte.

Die Rechnung ging zunächst auf. May hatte als langjährige Innenministerin Durchsetzungskraft und Kampfessmut bewiesen. Zwar hatte sie sich noch vor dem Referendum für die Fortsetzung der EU-Mitgliedschaft eingesetzt, aber sie wandelte sich nach dem Ergebnis zur dogmatischen Hohepriesterin des Brexit. May betont stolz, dass ihr Vater Pastor und ihr Großvater Regimentsspieß war. In einer Mischung aus Kanzel und Kasernenhof boxte sie im Parlament die Ankündigung des Austritts in Brüssel durch.

Verführt von den Meinungsumfragen und der Tory -Jubelpresse, die ihr einen Erdrutschsieg voraus sagten, setzte Theresa May Neuwahlen an, obwohl sie diese wiederholt für sich ausgeschlossen hatte. Sie gewann diese zwar, aber zu einem furchtbaren Preis. Die unter ihrem linkssozialistischen Führer Jeremy Corbyn völlig abgeschriebene Labour-Party raubte den Konservativen die absolute Mehrheit im Parlament. Um ihre Minderheitsregierung zu stärken schloss Theresa May einen Pakt mit der Partei der nordirischen Protestanten, die wegen ihrer reaktionären Grundhaltung selbst vielen britischen Konservativen suspekt ist.

Die Partei und die Medien machten sie für das Schlamassel verantwortlich. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie den Wahlkampf zum Personenkult umfunktioniert hatte. Sie scheute Fernsehdiskussionen und öffentliche Auftritte und ratterte wie ein Roboter vor einem ausgewählten Publikum der konservativen Ortsverbände immer wieder die gleichen Phrasen herunter, was ihr den Spitznamen "Maybot" einbrachte.

Die Terroranschläge und die Brandkatastrophein London beschleunigten noch dazu den rasanten Popularitätssturz der Premierministerin. Man erinnerte sich daran, dass Theresa May als Innenministerin für die drastisch reduzierte Personalstärke der Polizei verantwortlich war. Die Bewohner des abgebrannten Hochhauses warfen ihr Gefühlskälte und Organisationsschwächen vor. Die Ruine des sozialen Wohnblocks im reichsten Bezirk Londons wurde zum Symbol der gesellschaftlichen Spaltung des Königreichs.

Ihr Kabinett und ihre Fraktion waren in der Vorstellung eines "harten" oder "weichen" Brexit völlig uneins. Bei den Verhandlungen in Brüssel mussten die Briten bereits von ihrem hohen Ross steigen und das Prozedere der EU akzeptieren. Entgegen den Plattitüden "Brexit bedeutet Brexit" und einer "starken und stabilen Regierung" , die May bis zum Überdruss wiederholte, entbrannte eine zerstörerische Diskussion über die Zukunft des Königreichs, die durch die illusionären Vorstellungen einer schwachen und wackelnden Regierung genährt wurde. Über zwei Dutzend Minister und Staatssekretäre sagten May die Gefolgschaft auf.

Das Parlament, das seine Funktion als Hüterin der repräsentativen Demokratie nach einem frivolen Volksentscheid aufgegeben hatte und für den Brexit stimmte, versuchte diesen Fehler durch einen Kleinkrieg gegen die Regierung zu kompensieren. Dreimal wurde Theresa Mays Abkommen mit der EU, das die beste aller schlechten Möglichkeiten war, vernichtend niedergestimmt. Die gescheiterten Kompromissverhandlungen mit der Opposition und geplanter vierter Anlauf für eine Abstimmung über den unglückseligen Deal, beendeten schließlich die lange Agonie der Premierministerin.

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