Schwere Kandidatensuche: Wer will noch Bürgermeister werden?

13.4.2019, 05:47 Uhr
Schwere Kandidatensuche: Wer will noch Bürgermeister werden?

© Gertrud Gerardi

Warum? Die Frage wird Matthias Thürauf oft gestellt, seit er bekanntgegeben hat, dass er bei der nächsten Kommunalwahl 2020 nicht mehr als CSU-Kandidat für das Oberbürgermeisteramt in Schwabach antreten wird. Trotz guter Siegchancen. Trotz der Tatsache, dass es der Kommune in jeder Hinsicht gut geht.

In einer alle drei Jahre erscheinenden Studie zur Zukunftsfähigkeit von insgesamt 402 Kommunen in ganz Deutschland ist die Goldschlägerstadt zuletzt auf Platz 81 gesprungen, 2008 war es noch Rang 189. Das war das Jahr, als der damals 34-jährige Thürauf zum Rathauschef der 40.000-Einwohner-Stadt gewählt wurde. Das Ergebnis war damals eine große Überraschung für die CSU. Thürauf, der bis dahin Richter am Amtsgericht Hersbruck war, löste mit Hartwig Reimann von der SPD einen der dienstältesten Oberbürgermeister in Deutschland ab.

Also, warum? "Natürlich läuft es gut in der Stadt", sagt Thürauf. Genauso wie in der Verwaltung, der er in der über elfjährigen Amtszeit seinen Stempel aufgedrückt hat. Die Gestaltungsfreiheit in diesem Beruf habe er immer geschätzt. Aber für ihn sei eigentlich von Anfang an klar gewesen, dass zwei Amtszeiten genug sind. Gerade "wer so jung wie ich ins Amt kommt, muss sich überlegen, ob er noch mal in einen zivilen Beruf zurückwill", sagt er. Und die Möglichkeit, noch einmal etwas anderes zu machen, hänge eben auch mit dem Alter zusammen.

Der Beruf hat zwei Seiten

Das ist das eine. Daneben redet Thürauf aber auch sehr offen über die Distanz, die er zu seiner Aufgabe gepflegt hat. "Mir war das immer wichtig, nicht so mit dem Amt zu verwachsen, dass man abhängig wird", sagt Thürauf. "Im Gegensatz zu anderen Kollegen bin ich eben auch jemand, der gerne mal Sport macht oder auch seine Ruhe hat." Der "Job hat wie alles zwei Seiten. Man hat Auftritte und Begegnungen, die man sonst nicht hätte. Aber man ist eben auch immer im Dienst", jedes "Loch in der Straße" gehe einen zwangsläufig etwas an.


Braucht Bayern eine Amtszeitbegrenzung für Bürgermeister?


Mit Thüraufs Entscheidung hat sich eine kleine Reihe kommunalpolitischer Paukenschläge fortgesetzt. Vor einem Monat hatte Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) erklärt, nach ebenfalls zwei Amtsperioden im nächsten Jahr nicht mehr anzutreten. Er wolle ein Politiker sein, der gehen könne, meinte der 54-Jährige auf einer Pressekonferenz.

Wie Thürauf war auch Gribl ein Aufsteiger, den 2008 eigentlich niemand auf der Rechnung hatte. Damals wurde er als Parteiloser von den Christsozialen nominiert, um gegen den Amtsinhaber Paul Wengert (SPD) zu kandidieren und gegen alle Prognosen gewann er die Wahl.

Kurz vor Gribl hatte auch Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) bekanntgegeben, nach 18 Jahren nicht noch einmal antreten zu wollen. In einem Interview mit den Nürnberger Nachrichten erklärte er auf die Frage, auf was er sich nach seinem Abgang als Rathauschef am meisten freue: "Auf die Selbstbestimmung. Auf die ganz kleinen Dinge, im Sommer auf der Terrasse sitzen zum Beispiel."

Beim Bayerischen Städtetag kennt man noch eine ganze Reihe weiterer Amtsinhaber, die sich trotz guter Chancen dazu entschieden haben, nicht mehr anzutreten. So hat elf Jahre nach ihrem unerwarteten Sieg für die Freien Wähler beispielsweise auch die 53-jährige Karin Bucher als Bürgermeisterin von Cham erklärt, dass nach zwei Amtszeiten Schluss sein wird. Als Begründung gab sie an, dass der tägliche Stress sich inzwischen auf ihre Gesundheit auswirke.

Zuvor hatte sie immer wieder erklärt, wie ermüdend sie manche Diskussionen und Konflikte um vermeintliche Nichtigkeiten empfinde, wie oft das Klein-Klein Debatten um wesentliche Themen wie Umweltschutz, Integration oder Arbeitskräftemangel verdränge. Ganz ähnlich argumentierte Werner Weindl (CSU) im oberbayerischen Lenggries, mit dessen Abgang dort ebenfalls niemand gerechnet hatte. Nach 24 Jahren merke er, wie sehr ihm die Aufgabenfülle "an die Substanz" gehe, so der 59-Jährige.

Gleichzeitig wird es immer schwieriger, Kandidaten zu finden, die sich der Aufgabe stellen wollen. "Kandidieren Sie jetzt für die Kommunalwahl im März 2020" war im Januar in einer Stellenanzeige einer überregionalen Tageszeitung zu lesen. Geschaltet hatten sie die Dinkelsbühler Stadtratsfraktionen von SPD, Grünen sowie eine Gruppe "engagierter Bürgerinnen und Bürger".

Hohe Erwartungen

Dieser Mangel ist immer wieder ein Thema beim Bayerischen Städtetag, sagt Sprecher Achim Singer. Die Gründe sind lange bekannt. Als Rathauschef habe man "einen anspruchsvollen Job, der sehr zeitintensiv ist", sagt Singer. "Man ist rund um die Uhr im Dienst, was auch nicht gerade sehr familienfreundlich ist." Gleichzeitig sind die Erwartungen der Bürger sehr hoch und in den letzten Jahren auch gewachsen.

Wurde der Bürgermeister früher nur auf Versammlungen, auf dem Markplatz oder im Wirtshaus angesprochen, kommen heute permanente Anfragen über die Social-Media-Kanäle hinzu, sagt Singer. Hinzu komme, dass die Aufgabe im Vergleich zu Posten mit Führungsverantwortung in der freien Wirtschaft zwar nicht schlecht, aber auch nicht überragend gut bezahlt sei.

Das Gehalt richtet sich dabei nach der Einwohnerzahl. So wird der erste Bürgermeister einer Kommune mit 5000 bis 10.000 Einwohnern nach A 16 besoldet, was einem monatlichen Gehalt zwischen 5400 bis 6900 Euro entspricht. Ein Oberbürgermeister bekommt hingegen zwischen 8085 (bis zu 30.000 Einwohner) und 13.000 Euro (Landeshauptstadt München).

Dennoch ist für manche Politiker das Amt des Stadtoberhaupts der absolute Traumjob. Barbara Stamm, ehemalige Landtagspräsidentin und Sozialministerin, bedauert es heute noch, dass sie nicht Oberbürgermeisterin ihrer Heimatstadt Würzburg wurde. 1990 trat sie für die CSU an, unterlag aber dann gegenüber dem zuvor aus der CSU ausgetretenen Jürgen Weber.

Mit Leib und Seele

Auch Günther Beckstein wäre am liebsten OB in Nürnberg geworden. Er verlor 1987 gegen Peter Schönlein (SPD). Beide CSU-Urgesteine betonen übereinstimmend, dass das Amt als Oberbürgermeister für sie das schönste gewesen wäre.

"Mit Leib und Seele" war auch Siegfried Balleis OB. Auch wenn es "ein brutaler Knochenjob ist", der einen 80 Stunden in der Woche bindet. "Das ist ein unheimliches Pensum, von den Angriffen, denen man ausgesetzt ist mal ganz abgesehen."

Für Balleis, der von 1996 bis 2014 das Stadtoberhaupt von Erlangen war und dann in der Stichwahl gegen den SPD-Kandidaten Florian Janik unterlag, haben die positiven Seiten der Aufgabe dennoch immer überwogen. "Man konnte mit persönlichem Einsatz eine ganze Stadt weiterbringen, das war toll", so Balleis.

Das kann in seinen Augen aber nur funktionieren, wenn man sich auf den Job voll einlässt und eine Vision für seine Stadt entwickelt. "Wer die nicht hat, verschleißt sich und verliert sich im Klein-Klein. Es ist wie beim Bergsteigen: Wenn man den Gipfel fest im Blick hat, übersteht man auch Durststrecken."

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