Sicherheitskonferenz: USA will Westen gegen China in Stellung bringen

16.2.2020, 13:25 Uhr
US-Außenminister Pompeo warnte vor "staatlichen chinesischen Technologiekonzernen", die als trojanische Pferde geschickt würden, "um unsere Sicherheit zu unterhöhlen".

© Sven Hoppe/dpa US-Außenminister Pompeo warnte vor "staatlichen chinesischen Technologiekonzernen", die als trojanische Pferde geschickt würden, "um unsere Sicherheit zu unterhöhlen".

US-Außenminister Mike Pompeo hat sich offenbar geärgert. Und zwar über den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Der hatte zu Beginn der 56. Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag den USA unter Donald Trump mehr oder weniger offen vorgeworfen, nach dem Grundsatz "Jeder ist sich selbst der Nächste" internationale Zusammenarbeit gering zu schätzen und getroffene Vereinbarungen zu missachten. Pompeo verkündete ganz im Geiste seines Chefs stattdessen "viele gute Nachrichten" wie die Eliminierung von Terroristenführern und fragte: "Passt das zu der Behauptung, dass die USA als globale Führungskraft in Frage gestellt wird?".

Anders als bei früheren Konferenzen stellten die US-Minister Pompeo und Mark Esper (Verteidigung) die Europäer und insbesondere die Deutschen diesmal nicht wegen der ihrer Ansicht nach zu geringen Verteidigungsanstrengungen in den Senkel. Vielmehr drohte Verteidigungsminister Esper den Ländern, die sich für den chinesischen Staatskonzern Huawei beim Aufbau ihrer 5G-Mobilfunknetze entscheiden, mit Konsequenzen. Dann werde es wohl schwieriger, nachrichtendienstliche Informationen auszutauschen, sagte Esper.


Tausende demonstrieren gegen Sicherheitskonferenz in München


Pompeo warnte vor "staatlichen chinesischen Technologiekonzernen", die als trojanische Pferde geschickt würden, "um unsere Sicherheit zu unterhöhlen". Das stieß am letzten Konferenztag auf erstaunliche Zustimmung der deutschen Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock: Bei "kritischer Infrastruktur" dürfe man nicht so viele ausländische Unternehmen beauftragen, dass "Tür und Tor geöffnet ist".

Man hatte den Eindruck, dass die Trump-Administration die Konferent vor allem nutzen wollte, die Welt gegen China in Stellung bringen wollte. Praktisch seine gesamte Redezeit widmete Verteidigungsminister Esper, um herauszuarbeiten, wie das Reich der Mitte unter Führung der kommunistischen Partei "die Weltordnung manipuliert". Esper beschuldigte China intensiver geheimdienstlicher Einmischungen und auch mit dem "Diebstahl" geistigen Eigentums in aller Welt gehe es munter weiter. Seine Beteuerung, die Vereinigten Staaten wollten "keinen Konflikt mit China" und betrachteten nicht die Chinesen, sondern deren Führung als Problem, klang da eher pflichtgemäß.

Macron spricht ein Tabu an

Chinas Außenminister Wang Yi konterte in gewohnter Weise: Die USA wollten einfach keinen Erfolg eines sozialistischen Landes akzeptieren, aber Chinas Bevölkerung habe "das Recht, sich zu entwickeln". Die "fundamentalen Unterschiede in Geschichte und Kultur" sollten eher dazu führen, "sich gegenseitig wertzuschätzen". China stehe für Zusammenarbeit und Multilateralismus, betonte Yi und jeder konnte sich vorstellen, was der Chinese damit noch sagen wollte: "Im Gegensatz zu den USA".

Außenminister Pompeo machte keinen Hehl daraus, dass er die von den Sicherheitskonferenz-Organisatoren aufgestellte These des "Westlessness" und die eher pessimistische Rede des deutschen Staatsoberhaupts für arg kleinmütig hält. "Es hat immer Pessimisten gegeben, die alles schwarz gesehen haben", meinte Pompeo und widersprach der These vom Niedergang des Westens: "Der Westen obsiegt, er gewinnt". Aber nicht so, wie sich das manche in Europa vorstellen: "Nennen Sie mir ein Beispiel aus der Geschichte, wo die Schwachen und Sanften gewonnen haben", so der ehemalige Geheimdienstchef.

"Ich möchte nicht von Frau Merkel geführt werden"

Als Star des zweiten Konferenztags schlug Frankreichs Präsident Emmanuel Macron differenziertere Töne an. Der Franzose verzichtete auf eine Rede und stellte sich gleich den Fragen von Konferenzleiter Wolfgang Ischinger und des Publikums. Es gehe ihm in Europa einfach alles zu lange, bekannte er und gab zu, "ungeduldig" zu sein. Die USA, China und andere investierten mit Macht in ihre Zukunft, auch in die militärische, beklagte Macron. Während Europa mit einer "Krise der Demokratie" und seiner Mittelklasse zu kämpfen habe. Da klang so etwas wie der Anspruch auf eine französische Führungsrolle heraus, aber Macron dementierte: "Ich möchte weder Frau Merkel anführen noch von ihr geführt werden".

Macron wagte, die Bundesrepublik mit der Möglichkeit einer nuklearen Bewaffnung zu konfrontieren. Der Dialog über eine europäische Verteidigungsstrategie müsse auch "über den atomaren Bereich" geführt werden, sagte Macron als Präsident der einzigen Atommacht in der EU und fügte vielsagend dazu: "Wir sind bereit, gemeinsame Übungen durchzuführen". An die Stelle der Nato solle diese Verteidigungsstrategie, die Macron ausdrücklich nicht an der EU festmachen wollte, aber nicht treten.

Deutschlands Verteidigungsministerin und Noch-CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer rückte bemerkenswert klar den Eindruck zurecht, Macron könnte geneigt sein, seine Atomstreitkräfte in den Dienst europäischer Verteidigungsstrukturen einzubringen und womöglich an Stelle der USA einen nuklearen Schirm über das EU-Europa zu spannen. "Was wir bisher wissen", sagte "AKK" recht unverblümt, sei, dass die französische Regierung "nicht ihr Atomwaffenarsenal unter europäische Kommandostrukturen stellen will". Gegen einen Dialog spreche freilich "nie irgendwas", aber auf den nuklearen Schirm der USA könnten die Europäer auch in Zukunft nicht verzichten.

Der deutsche Verteidigungsetat soll nach den Worten der Verteidigungsministerin Jahr um Jahr steigen, bis er schließlich 2031, also in zehn Jahren, das angestrebte Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukt erreicht. Deutschland wäre dann in der Lage, zehn Prozent der militärischen Fähigkeiten der Nato zu stellen. Zerknirscht zeigte sich Kramp-Karrenbauer zum Thema Syrien: Die dortige Lage zeige, was passiere, wenn die Europäer "kein Gesicht und keine Tatkraft zeigen. Das darf nicht nochmal passieren".

Laschet beanstandet Merkels Nicht-Politik

Es hatte wohl auch innenpolitische Gründe, dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Vize Armin Laschet zum Thema EU in eine Gesprächsrunde geholt wurde. Der nutzte die Gelegenheit schon einmal, um recht klar die Europapolitik der Regierung Merkel zu kritisieren. Den Mut der Kohl-Ära, wo man die inneren EU-Grenzen abgeschafft, den Binnenmarkt verwirklicht und den Euro eingeführt habe, müsste man heute mal aufbringen, sagte Laschet und: "Ich hätte mir eine schnellere Antwort auf Macron gewünscht". Von der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bemühungen um eine neue europapolitische Dynamik habe er "in den letzten zwei Jahren nicht viel gemerkt". So scharf äußerte sich Grünen-Chefin Baerbock nicht: Man habe zu lange vergessen, dass Europa nicht nur aus Institutionen in Brüssel bestehe.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow ist einer der dienstältesten Außenminister der Welt und soll, so behaupten seine westlichen Gesprächspartner, persönlich recht konziliant sein. Auf der Sicherheitskonferenz war davon wenig zu spüren. Wie in Sowjetzeiten rasselte der Russe die Sichtweise seiner Regierung zu den Brennpunkten der Welt herunter, beschwor einmal mehr die mehr als 75 Jahre alte Waffenbrüderschaft mit den Westmächten im Zweiten Weltkrieg und pries sein Land als Friedensmacht, das sich gerade segensreich in Syrien betätige während der Westen für die "Barbarisierung der internationalen Beziehungen" verantwortlich sei. Spannungen zwischen Russland und der Türkei, die sich gerade in der syrischen Region Idlib feindselig gegenüber stehen, redete Lawrow einfach aus der Welt: "Wir haben ein sehr gutes Verhältnis mit der Türkei".

Virus und Facebook

WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus erinnerte daran, dass es noch andere Probleme als die Sicherheit durch Militär gibt. Der Ausbruch des neuartigen Corona-Virus dürfe kein Anlass zu gegenseitigen Beschuldigungen offenbare die "sehr gefährliche Kurzsichtigkeit" der Weltgemeinschaft, meinte der Chef der Weltgesundheitsorganisation. Immer wenn eine solche Krise vorbei sei, erlahmten die Präventionsbemühungen.

Verständlich sei das nicht: Die Opferzahlen bei Virus-Ausbrüchen seien weitaus höher als die des Terrorismus, gleichwohl würden zur Bekämpfung des Letztere Milliarden ausgegeben, nicht aber für die Vorbeugung gegen Epidemien. Im Übrigen sei es ein "gutes Zeichen", dass sich der Corona-Virus außerhalb Chinas offenbar nicht in größerem Stil verbreite, sagte Ghebreyesus. So gefährlich wie der Virus selbst seien "Fake News", Panikmache und Ausgrenzungen in Folge der Erkrankung.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg widersprach dem Vorwurf, sein Medium trage zur Polarisierung in den Gesellschaften bei. Die Polarisierung finde auch dort statt, wo die sozialen Medien nur eine geringe Rolle spielten, meinte Zuckerberg. Außerdem zeige eine Studie, dass die besonders polarisierten Teile der Bevölkerung das Internet am wenigsten nutzen.

Zuckerberg hob die Bemühungen seines Unternehmens im Kampf gegen Manipulation demokratischer Prozesse, Hassreden sowie Gewalt- und Terrorwerbung hervor. Inzwischen verfüge die Facebook-Zentrale über ausgeklügelte Künstliche Intelligenz, die verdächtige Konten aufspürten. 35.000 Mitarbeiter, behauptete Zuckerberg, seien inzwischen mit Sicherheit und Inhalten des weltweiten Facebook-Netzes beschäftigt: "Wir schalten pro Tag über eine Million falscher Konten ab, oft Minuten nach der Anmeldung".

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