Söder und die Testpanne: Bloß nicht überreagieren!

14.8.2020, 11:39 Uhr
Ministerpräsident Söder nahm am Donnerstag Stellung im Test-Skandal.

© dpa/Peter Kneffel Ministerpräsident Söder nahm am Donnerstag Stellung im Test-Skandal.

"Hosianna" ist ein "Jubelruf an Gott" und was "Kreuziget ihn" bedeutet, muss nicht weiter ausgeführt werden. Der Wechsel zwischen beiden Gemütslagen ist heute noch hektischer als zu biblischen Tagen, befeuert von den so genannten sozialen Medien, denen Grautöne unbekannt sind. Jetzt wurde Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Opfer dieses Spiels mit den Extremen. Noch Ende Juli auch mittels Umfragen als Messias hochgejubelt, der mindestens Deutschland, wenn nicht Europa in eine glänzende Zukunft führen könnte, kursieren jetzt auf einmal böse Schmähbildern im Netz. Zum Beispiel: Söder als Cäsar mit den Worten "Ich kam, sah und versiebte".


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Innerhalb weniger Stunden von einem Extrem ins andere zu verfallen ist eine Spezialität der Mediendemokratie, die Söder sehr gut kennt. Jetzt richtet sich das von ihm souverän gehandhabte mediale Instrument schlagartig gegen ihn. Plötzlich steht er da als Versager, Aufschneider, Sprücheklopfer. Viele Medien lieben es, politische Stars hochzujazzen, um sie dann wieder tief fallen zu lassen. Die Internetmedien lieben es noch mehr und sie sind dabei noch schneller. Es ist wie an der Börse: Wenn es keine Bewegungen nach unten oder oben gibt, wird nichts verdient.


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Das Spielchen ist jedoch absurd, albern und obendrein noch schädlich für die Demokratie. Was ist in Bayern passiert? Corona-Testzentren wurden nach einer zu ehrgeizigen politischen Ankündigung zu hastig aus dem Boden gestampft, was zu entsprechenden sicherlich höchst bedenklichen Konsequenzen geführt hat. Ist das Söders "Schuld"? Vielleicht, weil er zu viel zu schnell gewollt hat, sicherlich auch aus Gründen der eigenen Publicity. Ihm ist passiert, wovor er in der Corona-Krise mehrfach gewarnt hat: Er hat seinen Erfolg ein Stück weit "verstolpert". Stellt das Söder in die Reihe der politischen Versager? Sicher nicht. Wer nichts tut, kann auch keine Fehler machen. Söder ist überaus lernfähig. Er wird die Schlüsse aus dem Desaster ziehen.

Im Alten Testament wurde ein Bock mit allen Sünden beladen in die Wüste geschickt. Viele hatten erwartet, dass Söder nach demselben Strickmuster verfahren würde, doch nichts Dergleichen geschah. Vielmehr stellte sich der Ministerpräsident gemeinsam mit seiner Gesundheitsministerin, der man ohne Weiteres die Verantwortung in die Schuhe hätte schieben können, gemeinsam vor die Medien und bedauerte gemeinsam die Fehler. Die Anerkennung blieb aus. "Söder hält zu Pannen-Ministerin", hieß es.

Die Absage Söders an eingeübte Rituale des Politikbetriebes wird kaum gewürdigt. Die Öffentlichkeit will in solchen Fällen angeblich Köpfe rollen sehen und in der Regel ist die Politik geneigt, diesem Wunsch nachzukommen. Das Problem ist damit meistens nicht erledigt. Anderes läge der Fall, wenn es sich um ein moralisches Versagen handelte, also etwa die Verbandelung eines Ministers mit einem beauftragten Corona-Testlabor oder Ähnliches.


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Die Affäre um die verschleppten Corona-Testergebnisse zeigt, dass Markus Söder nach wie vor ein Schiff braucht, um zum Beispiel mit der Kanzlerin die Herreninsel im Chiemsee zu erreichen, und keineswegs in der Lage ist, über Wasser zu laufen. Mehr aber auch nicht. Weder war das "Hosianna" angebracht noch jetzt das "Kreuzigt ihn". Und weil wir schon im Religiösen unterwegs sind: Man sollte die Kirche im Dorf lassen.

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