Spitzentreffen verschoben: Union und SPD ringen weiter um Grundrente

3.11.2019, 19:25 Uhr
Im Falle der Grundrente gibt es weiterhin Klärungsbedarf.

© Frank May, dpa Im Falle der Grundrente gibt es weiterhin Klärungsbedarf.

Millionen von Menschen mit Minirenten müssen weiter auf eine Entscheidung der schwarz-roten Koalition über einen Aufschlag warten. Ein für Montagabend geplantes Spitzentreffen der Koalition zur Grundrente wurde überraschend auf den kommenden Sonntag verschoben - es gebe noch offene Punkte, die im Laufe dieser Woche sorgfältig geklärt werden sollten, teilte die CDU am Sonntagnachmittag mit.

Gute Vorarbeit, aber weiter Klärungsbedarf

Die SPD bestätigte die Verschiebung. Ein Sprecher sagte: "Die Arbeitsgruppe hatte sehr gute Vorarbeit geleistet, aber es gibt noch Klärungsbedarf. Die SPD bleibt zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommt." Ein CDU-Sprecher sagte, die Arbeitsgruppe der Koalition habe wichtige Vorarbeiten geleistet und Positionen aufeinander zubewegt. Es gebe aber noch offene Punkte.

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus SPD-Kreisen erfuhr, ging die Verschiebung des Spitzentreffens von der Union aus. Offen war zunächst, ob es bis zum am Sonntag geplanten Treffen vorher noch eine Sitzung der Koalitionsarbeitsgruppe gibt.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bezeichnete die Verschiebung des Treffens als "gute und richtige Entscheidung". "Nur mit einer soliden und nachhaltigen Finanzierung und Klarheit bei der Bedürftigkeits-Prüfung ist ein Fortschritt möglich", schrieb der CDU-Politiker am Sonntagabend auf Twitter.

"Geeinigt ist nichts"

Am Wochenende hatten führende Unionspolitiker bei den Verhandlungen zur Grundrente auf eine strenge Bedürftigkeitsprüfung gepocht. Sie wollen im Gegenzug für einen Aufschlag auf Minirenten angesichts der Abkühlung der Konjunktur außerdem steuerliche Entlastungen für Firmen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Bedingungen genannt, damit es zu einer Einigung bei der Grundrente kommen kann und Berichte über einen ersten Kompromiss zurückgewiesen. "Geeinigt ist nichts." Spahn schrieb am Samstag auf Twitter, es müsse bei der Grundrente eine "harte Einkommensprüfung" als Bedürftigkeitsprüfung geben - so dass nur Rentner unterstützt werden, die trotz mehr als 35 Jahren Arbeit sehr wenig zum Leben hätten. Rentner mit Mieteinnahmen gehörten nicht dazu.

Zudem müsse das Gesamtvolumen gegenüber künftigen Generationen verantwortbar sein. "Jede Milliarden-Summe, die die SPD bis heute genannt hat, ist es nicht", schrieb Spahn, der Mitglied der Arbeitsgruppe ist. Drittens müssten gleichzeitig konkrete Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum vereinbart werden, etwa eine Senkung der Unternehmenssteuern. Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sei die Voraussetzung für jede Rente. "Vor dem Verteilen kommt immer das Erwirtschaften."

Streitpunkt Bedürftigkeitsprüfung

Der Vorsitzende der "Jungen Gruppe" in der Unions-Fraktion, Mark Hauptmann, sagte dem ZDF-Hauptstadtstudio am Sonntag: "Wir als 'Junge Gruppe' lehnen eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ab, weil diese weder sozial noch gerecht ist. Es werden die Kosten einer jungen Generation für viele Jahre in die Zukunft aufgebürdet - und es werden neue Ungerechtigkeiten geschaffen." Die Union sollte sich keinen Millimeter wegbewegen von dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart sei, nämlich eine Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung.

Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer hatte sich zuversichtlich gezeigt, dass es bald eine Einigung geben könne. Auch Dreyer nannte aber Bedingungen. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Grundrente soll für mehr Gerechtigkeit sorgen und automatisch gezahlt werden." Niemand solle "zum Amt gehen und einen riesigen Stapel an Formularen ausfüllen müssen". Der SPD gehe es nicht um eine Sozialleistung, sondern um die Anerkennung von Lebensleistung. Wer 35 Jahre für einen geringen Lohn gearbeitet habe, müsse im Alter mehr haben als die Grundsicherung.

Uneinigkeit über Rentenaufschlag

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder bekräftigte in der Welt am Sonntag die Forderung, es müsse eine international vergleichbare Senkung der Unternehmenssteuer geben. "Davon hängt die Wettbewerbsfähigkeit und die Stabilisierung der Konjunktur ab." Die Konjunktur in Deutschland hat sich abgekühlt. Söder hatte aber zugleich gesagt, es gebe gute Aussichten, dass es im Koalitionsausschuss eine Einigung gebe. "Letztlich geht es um die Gesamtsumme der Kosten und die Strukturen für die Grundrente."

Die Arbeitsgruppe der Koalition hatte bis zum frühen Freitagmorgen getagt. Danach erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen, zwar solle auf das Wort "Bedürftigkeitsprüfung" verzichtet werden - die Finanzämter sollten aber "das zu versteuernde Einkommen" den Berechnungen zugrunde legen. Das könnte bedeuten, dass steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalerträgen oder aus Mieten und Verpachtungen mitberücksichtigt werden.

Einigkeit besteht darüber, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen. Das war auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Allerdings streiten Union und SPD seit Monaten darüber, wer genau den Rentenaufschlag erhalten soll. Die Union pocht auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit, die SPD lehnt dies ab.

Kosten sollen moderat bleiben

Die Gesamtkosten für die Grundrente sollten unter zwei Milliarden Euro bleiben. Darauf hatte nach dpa-Informationen die Union gepocht. Der SPD war wichtig, dass möglichst viele Menschen erreicht werden, zuletzt sollten es noch etwa 1,5 Millionen sein. Mit der Grundrente sollen Menschen, die trotz langer Beitragszeit nur sehr wenig Rente bekommen, einen Zuschlag erhalten.

Voraussetzung für die Grundrente sollte laut Koalitionsvertrag eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung sein. Die Union wollte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit gewährleistet sehen. Die SPD lehnte eine solche Prüfung dann aber ab. Dem Vernehmen nach soll vor allem die CDU bis zuletzt Vorbehalte gehabt haben.

Der FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel nannte die Verschiebung des Koalitionsausschuss eine Bankrotterklärung für die Koalition. "Union und SPD sollten sich endlich eingestehen, dass sie sich bei dieser wichtigen Frage in einem schlechten Modell völlig verrannt hätten.

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