Steinbach zieht sich enttäuscht aus CDU-Spitze zurück

9.9.2010, 17:30 Uhr
Steinbach zieht sich enttäuscht aus CDU-Spitze zurück

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Aus Enttäuschung über Indiskretionen und fehlenden Rückhalt in der Union zieht sich die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach nach zehn Jahren aus der CDU-Spitze zurück. Offene, interne Debatten seien in der Partei nicht mehr möglich, ohne dass sie nach außen getragen würden, sagte sie. Sie habe in der Union nur noch eine „Alibifunktion“, die sie nicht mehr wahrnehmen möchte, fügte sie in einem Interview hinzu. „Ich stehe dort für das Konservative, aber ich stehe immer mehr alleine.“

 Steinbach will beim Parteitag im November nicht mehr für den CDU-Vorstand kandidieren, in den sie im Jahre 2000 gewählt worden war. Die Entscheidung sei einige Zeit in ihr gereift, sagte Steinbach. Der Verlauf einer Sitzung des Unions-Fraktionsvorstands am Mittwoch und spätere Indiskretionen hätten sie in ihrem Entschluss nur noch bestärkt.

 Aus der Sitzung des Fraktionsvorstands war eine Äußerung von ihr zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach außen gedrungen. „Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat.“ In FDP und Opposition hatte Steinbach damit für Empörung gesorgt. Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) sah sich zu der Klarstellung gezwungen, dass es für CDU und CSU keinen Zweifel an der Schuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg gebe. Er verwies darauf, dass auch Steinbach dies so sehe.

 Die Vertriebenenpräsidentin verteidigte ihre Äußerung am Donnerstagvormittag zunächst. Die polnische Mobilisierung vor dem Zweiten Weltkrieg sei ein „Faktum“, sagte sie. „Ich kann es doch nicht ändern, dass Polen mobil gemacht hat.“ Wenn man solche Wahrheiten nicht mehr offen aussprechen könne, „dann leben wir nicht mehr in einer Demokratie“. Die Schuld für den Zweiten Weltkrieg werde mit einer solchen Äußerungen aber keineswegs relativiert. „Eines ist für mich ganz deutlich: Den Krieg hat Deutschland angefangen.“

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 Hintergrund für den Streit war eine Äußerung des vom Bund der Vertriebenen (BdV) als Stellvertreter für den Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ benannten Hartmut Saenger. Auch das zweite stellvertretende Stiftungsratsmitglied des BdV, Arnold Tölg, steht wegen ähnlicher Äußerungen in der Kritik. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte sich wegen der Berufung der beiden CDU-Politiker am Montag aus dem Gremium zurückgezogen.

 In der Sitzung des Fraktionsvorstands hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) die Äußerungen Tölgs und Saengers kritisiert. Steinbach griff ihren Parteifreund dafür scharf an. Kauder soll Steinbach dann abgewürgt und die Haltung der Fraktion deutlich gemacht haben. Andere Positionen als die klare deutsche Kriegsschuld hätten keinen Platz in der Fraktion, stellte die Fraktionsspitze klar.

 Steinbach zeigte sich nun enttäuscht von der Haltung Neumanns. Ihr Parteifreund habe zwar viel für die Vertriebenenstiftung getan. „Aber in dieser Frage hat er sich auf den gleichen klapprigen Gaul gesetzt, den die Linken im Deutschen Bundestag angeleiert haben.“ Er habe exakt die Haltung „von Volker Beck (Grüne), Angelica Schwall-Düren (SPD) und der Linkspartei“ wiedergegeben. „Deren Argumente hat Bernd Neumann übernommen und das lasse ich nicht zu.“

 Steinbach ist seit 1974 CDU-Mitglied und sitzt seit 20 Jahren für die Partei im Bundestag. Sie ist Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Im Jahr 2000 wurde sie in den CDU-Vorstand gewählt. Seit 1998 führt die 67-Jährige den Bund der Vertriebenen.

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