Steinmeier: "Rechtsextremismus hat tiefe Wurzeln in unserer Gesellschaft"

26.9.2020, 14:20 Uhr
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legt am Ort des Oktoberfestattentats einen Kranz nieder und gedenkt gemeinsam mit Überlebenden des rechtsterroristischen Anschlags.

© Guido Bergmann, dpa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legt am Ort des Oktoberfestattentats einen Kranz nieder und gedenkt gemeinsam mit Überlebenden des rechtsterroristischen Anschlags.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Samstag bei einem Gedenken zum 40. Jahrestag des Oktoberfestattentats zum Kampf gegen rechtsextreme Netzwerke aufgerufen. "Der Rechtsextremismus hat tiefe Wurzeln in unserer Gesellschaft", sagte Steinmeier, der als erstes Staatsoberhaupt die Gedenkveranstaltung zu dem schwersten rechtsextremistischen Anschlag in der Geschichte Deutschlands besuchte. "Die rechtsterroristischen Mordtaten der vergangenen Jahrzehnte waren nicht das Werk von Verwirrten."

Die Täter seien eingebunden gewesen in Netzwerke des Hasses und der Gewalt. "Es muss jede Anstrengung unternommen werden, rechtsextreme Netzwerke zu enttarnen, wo es sie gibt." Sie müssten noch entschiedener bekämpft werden.

Steinmeier nahm auch Bezug auf rechtsextreme Verdachtsfälle bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen. "Feinde der Freiheit und der Demokratie dürfen in der Polizei nicht geduldet werden." Er wisse, was die Beamten leisteten. Sie verdienten Vertrauen. Polizeiführungen und politisch Verantwortliche dürfen kein Klima dulden, in dem rechtsextreme Netzwerke entstehen und gedeckt werden könnten.

"Wegschauen ist nicht mehr erlaubt", sagte Steinmeier. Das gelte nach dem Oktoberfestattentat, nach dem NSU-Prozess, nach Drohschreiben des NSU 2.0, nach Feindeslisten sogenannter Preppergruppen mit Verbindungen zu Reservisten der Bundeswehr, nach der Aufdeckung einer rechtsextremen Chatgruppe in der Polizei in Nordrhein-Westfalen.

Die Aufklärung der Morde des rechtsterroristischen NSU habe Licht auf ein einen toten Winkel der Strafverfolgung gebracht. Ermittlungen liefen gegen Rechtsextreme ins Leere, wenn sie nicht vorbehaltlos, sondern von Befangenheit und Vorurteilen geleitet würden. "Entweder hat sich die Erkenntnis, dass auch diese Attentäter ein Umfeld haben, in Netzwerke eingebunden sind oder sich von ihnen inspirieren lassen, erst spät – zu spät – durchgesetzt. Oder, zweite Alternative: Diese Erkenntnis wurde bewusst missachtet."

Söder entschuldigt sich

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) entschuldigte sich bei der Gedenkveranstaltung für damalige Fehleinschätzungen und Versäumnisse. "Es tut mir leid und ich entschuldige mich für die Fehler, die in den Ermittlungen, aber auch in der Einschätzung zu der Tat gemacht wurden", sagte Söder auf der Theresienwiese. Er spreche damit als Ministerpräsident und Rechtsnachfolger aller anderen Ministerpräsidenten, aber auch als Verantwortlicher für den Freistaat. Wer Rechtsradikale unterschätzt, versündigt sich an der Demokratie", sagte Söder. Er gebe ein "Schutzversprechen" ab: "Wir werden nicht zulassen, dass Rechtsextremismus, Hass, Antisemitismus, Rassismus geduldet, akzeptiert oder irgendwie unterschätzt werden." Vielmehr werde sich der Freistaat mit ganzer Kraft dagegen stellen.

Am Abend des 26. September 1980 hatte eine Bombe zwölf Wiesnbesucher sowie den rechtsextremen Bombenleger Gundolf Köhler in den Tod gerissen und über 200 verletzt. Die Bundesanwaltschaft hat nach neuen Ermittlungen die Tat als rechtsextremistisch eingeordnet. Früher sprachen Ermittler von der Tat eines Einzelnen aus privatem Frust.

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