Strahlende Aussichten: Deutschland sucht ein Endlager

11.11.2011, 19:42 Uhr

Nach 35 Jahren sollen in Deutschland erstmals konkrete Alternativen zum Salzstock Gorleben als Standort für ein Atommüll-Endlager geprüft werden. «Es gibt eine weiße Landkarte - kein Tabu», sagte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Freitag in Berlin nach einem Treffen mit Vertretern aller 16 Bundesländer. Es gehe darum, den sichersten Standort für ein Endlager zu finden.

Gorleben werde dennoch weiter erkundet. Am Ende solle aber in jedem Fall ein Vergleich zwischen zwei möglichen Endlagerstandorten stehen. «Die Zeit dafür ist überreif», sagte Röttgen und betonte, kein Bundesland entziehe sich, alle wollen mitmachen.

Noch im November soll eine Arbeitsgruppe von acht Ländern - darunter Niedersachsen, Bayern, NRW und Baden-Württemberg - mit dem Bund eingerichtet werden und Vorschläge für einen Endlagerkonsens erarbeiten. Diese sollen bis Sommer 2012 in ein Endlagersuchgesetz münden. Röttgen betonte, mit der neuen Einigkeit könne «der Kampf und der Krampf der vergangenen Jahre» in der Endlagerfrage überwunden werden. Entweder man löse das Problem im Konsens oder gar nicht.

Am 11. November 1976 war das an der Grenze zur DDR gelegene Gorleben bei einem Treffen der niedersächsischen Landesregierung mit drei Bundesministern ins Spiel gebracht worden - die Umstände dafür sind bis heute unklar, weil andere Salzstöcke zuvor als besser geeignet galten. 1977 fiel dann die Entscheidung, nur den Salzstock Gorleben zu prüfen, 1980 begann unter Tage die Erkundung.

In die Erkundung wurden bisher 1,6 Milliarden Euro investiert. Doch SPD, Grüne, Linke und Umweltverbände dringen auf Alternativen, weil der Standort wegen eines fehlenden durchgängigen Deckgebirges und Gasvorkommen zu unsicher sei, um dauerhaft hochradioaktiven Müll im Salz sicher zu verschließen und Radioaktivität abzuschirmen.

Aus Baden-Württemberg kommt der Vorschlag, bundesweit bis zu vier weitere Standorte zu prüfen und 2020/2021 zwischen den zwei besten Optionen das Endlager auszuwählen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einer einmaligen Chance für einen Endlagerkonsens. «Schuldfragen sind nicht produktiv», sagte er mit Blick auf Fehler der Vergangenheit bei Gorleben. Es gehe nun vor allem um einen von allen gewollten Neubeginn in dieser Frage.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) betonte, es gebe jetzt eine Vielzahl von Fragen zu klären. Etwa ob es ein Tiefenlager geben soll oder nicht, ob der Müll in Salz, Ton oder kristallinem Gestein eingelagert werden soll und ob die Lagerung rückholbar oder nicht gestaltet werden soll.

Das sei letztlich eine Entscheidung, die Bundesrat und Bundestag zu treffen haben - unter Beteiligung der gesamten Gesellschaft und wissenschaftsbasiert. «Wir müssen die Endlagerforschungskapazitäten in Deutschland weiter ausbauen», forderte McAllister angesichts des geplanten Neustarts. Bei Gorleben gebe es die «Erkundung auf der einen Seite und einen Entscheidungsvorbehalt auf der anderen Seite».

Auch Bayern zeigte seine Bereitschaft, bei Null anzufangen: «Die Geologie ist das entscheidende, nicht die Geografie», sagte der neue Umweltminister Marcel Huber (CSU). «Bayern ist stolz, zur bundesdeutschen Landkarte zu gehören», sagte Huber auf die Frage, ob denn auch der Freistaat zur weißen Landkarte gehöre. Das Land hatte früher kategorisch eine neue Suche ausgeschlossen, nach dem Atomausstiegsbeschluss aber eine neue Offenheit gezeigt. Das neue Verfahren müsse transparent und bürgernah sein.

NRW-Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD) sagte: «Wir müssen die Menschen mitnehmen in diesem Prozess.» Dies sei mit das wichtigste, um zum Erfolg zu kommen. «Der Wille der Länder ist vorhanden. Wir dürfen diese Chance nicht aus der Hand geben.»

Die Umweltschützer von Greenpeace forderten eine Absage des nächsten Castor-Transports mit Atommüll in das nahe dem Salzstock gelegene oberirdische Gorlebener Zwischenlager. An der Fassade des Bundesumweltministeriums brachten Aktivisten ein Plakat an mit der Aufschrift: «McAllister: Ausstieg aus Gorleben - Castor absagen.» Angesichts umstrittener Strahlenwerte im oberirdischen Zwischenlager gibt es Kritik an dem Transport, der Ende November eintreffen soll - tausende Polizisten werden den Transport schützen müssen.

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