Tarifvertrag gescheitert: Nürnberger Altenpflegerin übt Kritik an Caritas

25.3.2021, 07:09 Uhr
Ein Krankenpfleger reicht der Bewohnerin eines Altenheims ein Medikament: Die Arbeitsbelastung in der Branche ist hoch, die Entlohnung oft mäßig bis schlecht. Ein flächendeckender Tarifvertrag, der das ändern sollte, kommt vorerst nicht zustande.

© Werner Krüper, NNZ Ein Krankenpfleger reicht der Bewohnerin eines Altenheims ein Medikament: Die Arbeitsbelastung in der Branche ist hoch, die Entlohnung oft mäßig bis schlecht. Ein flächendeckender Tarifvertrag, der das ändern sollte, kommt vorerst nicht zustande.

Sie gehören zu den stillen Heldinnen und Helden im Land, und das nicht nur zu Coronazeiten: Altenpflegefachkräfte und –helfer. Sie arbeiten im Drei-Schicht-Dienst, sieben Tage die Woche, auch an Feiertagen und tragen die Verantwortung für Dutzende Menschen und deren Wohlergehen. Und werden dafür bisweilen recht schlecht entlohnt.

Vorstoß aus dem Arbeitsministerium

Das weiß die Politik schon seit langem. Den Zusammenhang zwischen "Pflegenotstand“ und "schlechter Bezahlung in der Branche“ hat sie erkannt und wollte diesen Teufelskreis, angetrieben von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), unlängst durchbrechen. Ein Flächentarifvertrag sollte her, der bundesweit Gültigkeit besitzen sollte und die Pflegekräfte deutlich bessergestellt hätte.

Doch daraus ist zunächst nicht geworden, gescheitert ist dieser Vorstoß am Widerspruch der Caritas. Sowohl sie als auch die Diakonie hätten als kirchliche Trägerinnen hunderter Pflegeeinrichtungen zustimmen müssen, um das Vorhaben umzusetzen, auf das sich die Gewerkschaft Verdi und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) zuvor geeinigt hatten. Gemäß dem Vorschlag sollte das Entgelt für ausgebildete Pflegekräfte bis 2023 auf mindestens 18,75 Euro pro Stunde (bislang 15 Euro) steigen; für Hilfskräfte sollte der Satz auf 14,40 Euro steigen – gut zwei Euro mehr als bisher.

Dass es dazu nicht kam, darüber kann sich Tatjana Sambale (34) heute noch aufregen. Sie ist Betriebsratsvorsitzende in einem privaten Altenpflegeheim in Nürnberg und sah in dem angestrebten Flächentarifvertrag die Chance, etablierte Muster zu durchbrechen und die Jobs in der Pflege endlich attraktiver zu machen. "Ein allgemeinverbindlicher Tarif hätte für tausende zumeist bei privaten Anbietern beschäftigte Menschen ein Ende der Dumpinglöhne bedeutet“, ist sie überzeugt.

Dass es die in der heiß umkämpften Branche gibt, streitet Tobias Utters, Pressesprecher der Caritas Bayern, gar nicht ab. Das Instrument eines allgemeingültigen Tarifvertrags in der Pflege hält er dennoch für nicht zielführend. Zum einen, so erläutert er, sahen die Caritas-Verantwortlichen Mängel in dem Vertragswerk, etwa bei der Urlaubsregelung oder Zeitzuschlägen. Zum anderen hegt er die Befürchtung, dass manche Anbieter die gestiegenen Personalkosten auf die Pflegebedürftigen abwälzen könnten. "Pflege darf aber kein Luxus sein“, bekräftigt er.

Tatjana Sambale vermutet, dass es den Kirchen aber auch darum ging, arbeitsrechtliche Sonderprivilegien ("Der Dritte Weg“), darunter die tarifliche Selbstbestimmung, behalten zu dürfen. Sie versteht nicht, dass die Caritasvertreter die Verhandlungen zwei Jahre lang begleiteten und auf den letzten Metern ihre Zustimmung verweigerten, "obwohl Verdi ihnen 1000 goldene Brücken gebaut hat.“ Das sieht Caritas-Pressesprecher Utters ganz anders: "Alles, was wir eingeworfen haben, wurde beiseite gefegt. In den Gesprächsrunden hieß es stets nur ,Friss oder stirb!’“.

Das lässt noch viel Verhandlungsbedarf erkennen. Wie könnte ein Ausweg aussehen? Eine Möglichkeit ist ein Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der im Herbst 2020 Eckpunkte einer Reform vorgelegt hatte, laut der die Refinanzierung aus der Pflegeversicherung grundsätzlich an die Existenz von Tarifverträgen gekoppelt werden soll. Das hält Utters für eine brauchbare Idee. Vonseiten der privaten Anbieter dürfte da allerdings massiver Widerstand kommen.

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