Trauer um früheren Nürnberger Polizeipräsidenten Herold

14.12.2018, 20:16 Uhr
Der frühere Polizeipräsident Nürnbergs Horst Herold in einem Interview.

© dpa Der frühere Polizeipräsident Nürnbergs Horst Herold in einem Interview.

Aus alten Bildern, etwa aus der Zeit der Terrorfahndung, ist die Härte seines Amtes herauszulesen. Entschlossen wirkt er, ja kämpferisch. Aber er musste nicht nur gegen Verbrecher und Terroristen kämpfen, sondern zunächst gegen Zweifler, die seinen Visionen einfach gedanklich nicht folgen konnten. Aber es war selten Härte, die ihn prägte, eher war er in den Kriminalwissenschaften Prophet und Philosoph, und er war ein Menschenfreund.

Der promovierte Jurist hätte wohl auch einen guten Ingenieur abgegeben: Schon zu Beginn der 1960er Jahre hatte der Staatsanwalt Kontakte zu IBM genutzt. Seine Idee: Die elektronische Datenverarbeitung muss für die Zwecke der Prävention und Aufklärung von Verbrechen genutzt werden.

Eine Revolution der Fahndung

Als er 1964 zur Nürnberger Kriminalpolizei kam und drei Jahre später städtischer Polizeipräsident wurde, revolutionierte er die Fahndung. Kriminalgeografie und Lagebilder — das waren damals völlig neue Wege: Morgens zeichneten die Polizisten ein, wo nachts eingebrochen war, Karte für Karte ließ sich daraus ableiten, wo die Gauner demnächst zuschlagen würden. Und dort hatte die Polizei dann leichtes Spiel.

Als Polizeipräsident zeigt Herold auch Humor. Als linke Studenten allzu heftig in Nürnberg demonstrierten, zog er ihnen den Boden unter den Füßen weg. Die Idee der Spezialschmierseife, die der Wasserwerfer verteilt, hatte er aus den USA mitgebracht. Ja, er hatte Sympathie für den Aufbruch 1968. Er las Marx und Mao, Dutschke und Adorno. SPD-Genosse Horst ließ sich später auch bei den Treffen der SPD-Betriebsgruppe des BKA in Wiesbaden sehen, nicht als Chef, sondern als Genosse.

Aus seinem Weltbild heraus, wollte er auch das demokratische Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Polizei fördern. Nicht der obrigkeitshörige Büttel sei gefragt, er wolle Beamte, die sich an der Gesellschaft und ihren Veränderungen beteiligen, predigte er seinen Kollegen.


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Der Erfolg von Herold in Nürnberg sprach sich schnell herum. 1971 kam der Ruf an die Behörde in Wiesbaden, wo er den Betrieb in wenigen Wochen aufmischte. Mit Bewegungsbildern, etwa von Terroristen, schaffte er es, vom Computer mögliche Anschlagsziele abzulesen und verhinderte mit seinen Kollegen tatsächlich geplante Attacken. Die kilometerlangen Aktenregale sind ihm ein Gräuel. Er will Informationen "sofort und für alle".

Seine Mitarbeiter erschrecken, weil "der Chef" Mao zitiert: "Schläge aufs Wasser machen die Fische unruhig." Und das setzt er taktisch um: Bei der Suche nach Gudrun Ensslin und Andreas Baader nutzt er die "Hubschrauber-Springfahndung" und lässt die Republik mit Kontrollstellen überziehen. Er findet die beiden schnell, dank der Rasterfahndung.Flott baut er das BKA zu einer weltweit beachteten Fahndungsbehörde um. Viele seiner Ideen fließen in die Arbeit von FBI und Nachrichtendiensten ein. Kritiker dagegen wollen keinen "gläsernen Menschen".

Die Wende im Leben des Horst Herold kommt am 7. September 1977. Alles hatte er vorhergesehen: Terroristen zahlen ihre Miete bar, nehmen Wohnungen in Autobahnnähe. Hausmeister und Vermieterin einer Wohnung nahe Köln machen die Polizei an diesem Tag auf eine Frau aufmerksam, auf die genau dieses Profil passt, sie hatte zudem einige Bündel Bargeld in der Handtasche. Doch die Information wurde nie weitergeleitet.


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In dieser Wohnung war der entführte Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, bewacht von RAF-Terroristen. Wenige Wochen später wurde er erschossen.

Dem BKA-Präsidenten wurde diese Fahndungspanne angelastet, obwohl er alles richtig gemacht hatte. Herold überwarf sich 1981 mit Innenminister Gerhart Baum (FDP), nahm seinen Hut und zog auf das Gelände einer Polizeikaserne in Rosenheim. Noch immer galt Sicherheitsstufe eins für ihn, wie für Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Bitterkeit über diesen Abschied war ihm nie anzumerken. Herold widmete sich den Büchern und den Computern. Gelegentlich meldete sich der Herr mit der Herzenswärme und den vollendeten Umgangsformen beim Autor dieser Zeilen und analysierte die Zeitläufte — ein intellektueller Genuss.

Bis zum Tod seiner Frau vor einem Jahr pflegte Herold sie hingebungsvoll und zog dann zurück in seine Heimat nach Nürnberg.


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