Umstrittenes Gesetz

Trotz Kritik: Bundesregierung bringt Pflegereform auf den Weg

2.6.2021, 08:58 Uhr
Die Pflegereform wird im Kabinett beraten.

© Daniel Reinhardt, dpa Die Pflegereform wird im Kabinett beraten.

Nach langem Streit bringt die große Koalition noch eine Pflegereform mit einer besseren Bezahlung von Pflegekräften auf den Weg. Das Bundeskabinett will dafür am Mittwoch (9.30 Uhr) Gesetzespläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beschließen, die voraussichtlich auch noch im Juni vom Bundestag verabschiedet werden sollen. "Wir wollen die Pflege attraktiver machen, das ist eines der wichtigsten Anliegen dieser Bundesregierung", sagte Spahn der Augsburger Allgemeinen (Mittwoch). Deswegen solle das "Pflegepaket" sicherstellen, dass künftig alle Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden, ohne dadurch Pflegebedürftige zu überlasten.


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Konkret zielen die Gesetzespläne darauf, dass Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden dürfen, die nach Tarifverträgen oder in ähnlicher Höhe bezahlen - dem Entwurf zufolge ab 1. September 2022. Um Pflegebedürftige von steigenden Zuzahlungen aus eigener Tasche für die Pflege im Heim zu entlasten, sollen sie Zuschläge bekommen - voraussichtlich zum 1. Januar 2022. Die Zuschläge sollen höher ausfallen, je länger man im Heim ist.

Zur Gegenfinanzierung soll der Bund ab 2022 einen Zuschuss von jährlich einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung geben. Zugleich soll der Zuschlag für Kinderlose beim Pflegebeitrag um 0,1 Punkte auf künftig 0,35 Prozentpunkte angehoben werden. Damit steigt der Beitrag für sie von 3,3 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns.

Eine bessere Bezahlung dringend benötigter Pflegekräfte ist erklärtes Ziel der großen Koalition. In der Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten bekommt laut Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Ein Anlauf für einen Tarifvertrag, den Ressortchef Hubertus Heil (SPD) für die ganze Branche verbindlich machen wollte, war zu Jahresbeginn gescheitert.


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Zugleich steigen selbst zu zahlende Anteile für Pflegebedürftige im Heim, sie lagen zuletzt bei 2068 Euro pro Monat im Bundesschnitt. Enthalten ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen aber noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen der Einrichtungen dazu.

Der Sozialverband VdK kritisierte die Reformpläne. "Heimbewohnerinnen und Heimbewohner werden mehr Geld zahlen müssen. Es kann nicht sein, dass die Kosten für mehr Personal und notwendige Lohnsteigerungen nun vor allem an ihnen hängenbleiben", sagte Präsidentin Verena Bentele den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der geplante Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro reiche "nie und nimmer".

Holetschek kritisiert Pläne zur Pflegereform

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat die Pläne für eine bundesweite Pflegereform als nicht weitreichend genug kritisiert. "Es ist bedauerlich, dass sich tiefgreifendere Reformpläne gegen den Bundesfinanzminister offenbar nicht durchsetzen ließen", sagte Holetschek der Deutschen Presse-Agentur. Das Bundeskabinett soll nach Angaben aus der Bundesregierung an diesem Mittwoch über die Pläne beraten, der Bundestag noch vor der Sommerpause entscheiden.

"Die Pflegebedürftigen in Deutschland hätten eine deutlichere Entlastung verdient – es wäre Aufgabe des Bundesfinanzministers gewesen, einen entsprechenden Bundeszuschuss bereitzustellen", bemängelte Holetschek, der gegenwärtig Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz der Bundesländer ist. Derzeit plant die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) offenbar mit einem Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung.


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Er begrüße es allerdings, dass die tarifgerechte Entlohnung in der Pflege gestärkt werde. Die Bundesregierung will Berichten zufolge künftig nur noch Pflegeeinrichtungen zulassen, wenn dort Tariflohn gezahlt wird. Eine echte Pflegereform müsse aber auch die strukturellen Fragen der Pflegeversicherung angehen. "Wir müssen den Pflegebedürftigen in den Mittelpunkt stellen", forderte Holetschek. "Meine Vorschläge habe ich mit meinem Reformplan auf den Tisch gelegt. Ich werde diesen Reformplan auch künftig weiterverfolgen", kündigte er an.

Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) begrüßte, dass der ursprünglich angestrebte allgemeinverbindliche Tarifvertrag für die Altenpflege tot sei, wie Präsident Thomas Greiner dem "Handelsblatt" sagte. Wer glaube, dass ein Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro reiche, "glaubt auch an den Weihnachtsmann oder die Weihnachtsfrau". Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, warnte vor einer völlig unzureichenden Finanzierung der Reform. "Für das Jahr 2022 zeichnet sich schon jetzt ein Defizit von zwei Milliarden Euro ab." In der Folge drohten Beitragssteigerungen.

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