Uni in Nürnberg: Die Politik knickte vor Siemens ein

18.10.2017, 09:19 Uhr
Uni in Nürnberg: Die Politik knickte vor Siemens ein

© Foto: Harald Sippel

Mit einer Milliarde Euro soll in Nürnberg eine neue Universität mit etwa 100 Professoren gegründet werden, in der einmal 5000 bis 6000 Studenten unterrichtet werden sollen. Seit dem entsprechenden Kabinettsbeschluss am 2. Mai liegen die Argumente pro und contra auf dem Tisch.

Die NN-Redakteure Sharon Chaffin (kontra) und Andreas Franke (pro) trugen sie zu Beginn des NN-Forums noch einmal vor: Gegen eine neue Uni in Nürnberg spricht vor allem, dass teure Doppelstrukturen für die Verwaltung und die Grundlagenfächer aufgebaut werden müssen. Und dass man die geplante Milliarde Euro auch in die dringend nötige Sanierung der FAU und der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg stecken könnte. Das halten manche auch für weitaus sinnvoller.

Für eine neue Uni spricht dagegen, dass Nürnberg die einzige Stadt in Deutschland mit einer halben Million Einwohner sei, die keine eigene Universität hat. Deswegen wurde Herrmann gefragt, ob der Bau der Universität nun sinnvoll sei oder nicht. Als Antwort erinnerte der Minister daran, wie es überhaupt zu dem Kabinettsbeschluss gekommen war: Aus dem Drängen der FAU nach einem weiteren Ausbau ihrer Technischen Fakultät in Erlangen sei überhaupt erst der Plan entstanden, Teile dieser Fakultät nach Nürnberg auf das frühere AEG-Gelände zu verlagern.

Massiver Einfluss auf Hochschulpolitik

Dies wiederum habe den Siemens-Vorstand veranlasst, bei Ministerpräsident Horst Seehofer vorstellig zu werden mit der Frage: Wozu bauen wir unseren Siemens-Campus in Erlangen so groß aus, wenn unser wichtigster Kooperationspartner, nämlich die Technische Fakultät, zu großen Teilen nach Nürnberg verlagert wird? Damit bestätigte Herrmann offen ein hartnäckiges Gerücht: Dem Weltkonzern gelingt es augenscheinlich, massiven Einfluss auf die bayerische Hochschulpolitik zu nehmen.

Einerseits habe man also Siemens befriedigen wollen, so Herrmann, andererseits habe man jedoch Nürnberg die praktisch versprochenen Uni-Einrichtungen nicht wieder wegnehmen können/wollen. Was also tun?Diesen gordischen Knoten habe Seehofer zerschlagen mit der Entscheidung: Wir bauen die Technische Fakultät der FAU in Erlangen aus und wir geben Nürnberg eine eigene neue Uni für etwa 5000 Studenten. "Diesen Vorschlag", so Herrmann, "hat das Kabinett einstimmig gebilligt", und er fügte hinzu: "Ich kann nicht erkennen, was daran schlecht für Erlangen sein soll."

Die weiteren Pläne für die FAU erläuterte Herrmann so: Als Entgegenkommen dafür, dass es keine Verlagerung nach Nürnberg gibt, wird Siemens Grundstücksflächen zum Ausbau der Technischen Fakultät an den Freistaat verkaufen. Mit diesem Ausbau und dem dann benachbarten Siemens-Campus werde Erlangen eine weltweit einzigartige Dichte an hochkarätigen Forschungskapazitäten haben, meinte OB Janik. Und auf dieser Basis tat er sich leicht, den weltoffenen Staatsmann zu geben, dem Kirchturmdenken fremd ist.

"Unsere Konkurrenz", meinte Janik im Hinblick auf die neue Uni in Nürnberg, "sitzt nicht 30 Kilometer entfernt. Unsere Konkurrenz als Metropolregion Nürnberg sind zunächst mal die anderen europäischen Metropolregionen und dann die anderen bedeutenden Wissenschaftszentren auf der Welt." Die Konkurrenz beginnt für Janik (SPD) vor allem etwa 160 Kilometer südlich – in München. Und daher sei er der Bayerischen Staatsregierung (CSU) dankbar, dass sie mit der Neugründung der Nürnberger Uni den Raum Nordbayern stärke.

Hornegger in der Zwickmühle

Quasi in der Zange von zwei Politikern tat sich FAU-Präsident Hornegger sichtlich schwer, gute Miene zu diesem Spiel zu machen. Als gelernter Wissenschaftler zog er es vor, mehr inhaltlich als strukturpolitisch zu argumentieren.

Wie seit Beginn der ganzen Debatte um die neue Uni in Nürnberg, legte Hornegger Wert auf die Feststellung, dass es ihm "als gewähltem Präsidenten" ausschließlich um den Ausbau "seiner" Universität gehe. Der ursprüngliche Plan, in Nürnberg auf dem AEG-Gelände zu expandieren, sei niemals eine Entscheidung gegen Erlangen gewesen. Genauso wenig seien die jetzigen Ausbaupläne in Erlangen eine Entscheidung gegen Nürnberg.

Dass es ihm ein wenig schwerfällt, die neue Uni in Nürnberg uneingeschränkt toll zu finden, liegt an einigen noch völlig offenen Fragen, die im Übrigen auch Erlangens OB Janik umtreiben. Zum Beispiel die Frage nach dem Geld: Bedeutet eine zehnte Landesuniversität in Bayern, dass der Haushaltsetat für die Universitäten künftig durch zehn anstatt wie bisher durch neun geteilt wird? Die FAU allein, so Hornegger, schiebt einen Sanierungsbedarf vor sich her, der leicht mit einer Milliarde Euro beziffert werden kann.

Nicht wirklich Antworten gefunden

Auch bei der Frage nach den bahnbrechenden Neuerungen, die die geplante Universität mit sich bringen würde, wurden nicht wirklich Antworten gefunden. Denn bei all dem Angebot, das die Universitäten und Hochschulen rund um die Metropolregion Nürnberg bieten, könnte es durchaus zu Dopplungen im Studienprogramm kommen.

Eine Strukturkommission unter der Leitung des Münchner TU-Präsidenten Prof. Wolfgang Herrmann soll dies klären. Diese tagte kürzlich zum ersten Mal. In einem Interview mit den NN hat Herrmann Großes versprochen: In einem anderem Zusammenhang wehrte er sich vehement gegen die Unterstellung, man könne nicht erwarten, dass er sich eine echte Konkurrenz zu "seiner" TU München basteln würde. Auch wenn Hornegger immer wieder betont, der Kabinettsbeschluss sehe eine inhaltliche Mitwirkung der FAU beim Ausbau der neuen Uni vor — in der Kommission der TU ist die FAU nicht vertreten.

Das Fazit des NN-Forums: Die neue Uni in Nürnberg wird nach aktuellem Stand kommen. Die Frage nach deren Sinn stellt sich aber nach wie vor.

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