Unilateralismus: Trump und die Tradition der Jacksonians

4.3.2019, 23:35 Uhr
Unilateralismus: Trump und die Tradition der Jacksonians

© Stefan Hippel

20 Jahre ist es inzwischen her, dass Walter Russell Mead seinen Artikel "The Jacksonian Tradition and American Foreign Policy" veröffentlichte. Damals war Donald Trump noch ein schillernder Promi in den New Yorker Klatschblättern

Meads Anliegen war es, die außenpolitische Debatte in den USA auf ein neues Niveau zu heben. Eine Debatte, die damals – und auch heute noch – entlang holzschnittartiger Begriffe geführt wird, in der Politiker grob in die Kategorien "Tauben" oder "Falken" eingeteilt, in der US-Strategien auf Schlagworte wie "Isolationismus" oder "Internationalismus" reduziert werden.

Vier Denkschulen

Der Politologe Mead setzte dem ein Modell von vier Denkschulen entgegen, die er nach bedeutenden Staatsmännern benannte. Da sind die furchtsamen Jeffersonians, die Amerika als zerbrechlichen Leuchtturm der Freiheit sehen, der Vorbild für andere Völker sein könne, aber bloß nicht mehr: Denn ein aktives Eingreifen der USA im Rest der Welt berge die Gefahr, in fremde Kriege hineingezogen zu werden.

Da sind die Wilsonians, die im Gegenteil dazu einer aktiven Verbreitung amerikanischer Werte das Wort reden – und die von einer regelbasierten, liberalen Weltordnung träumen, die alle Staaten der Erde einhegt. Und da sind die Hamiltonians, pragmatische Realpolitiker, die amerikanische Interessen im globalen Maßstab definieren – und die die US-Politik seit dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich bestimmten.

Das eigentlich Originelle an Meads Werk, das war aber die Identifizierung einer vierten Gruppe – der Jacksonians. Und das umso mehr, weil diese in den Folgejahren viele Entscheidungen der Regierung von George W. Bush erklärbar machte – die kriegerische Reaktion auf den 11. September zum Beispiel, die Folter mutmaßlicher Terroristen und die Aufkündigung internationaler Abkommen.

Kompromisslose Härte

Für Walter Russell Mead ist die Gruppe der Jacksonians kein intellektuelles Theoriekonstrukt, sondern vielmehr eine Geisteshaltung, die während der amerikanischen Expansion nach Westen entstanden ist, der Zeit der Siedler, Pioniere und Cowboys. Wer an der frontier, an der Trennlinie zwischen Zivilisation und unerforschter Wildnis lebte, der brauchte Mut, Selbstständigkeit und Eigenverantwortung. Der konnte sich dort draußen auf keinen Staat, keinen Vertrag verlassen, um seine Familie bei einem Angriff zu schützen. Im Zweifel stand er ganz alleine.

Dass die frontier den amerikanischen Geist geprägt hat, damit steht Walter Russell Mead keineswegs alleine da, diese These haben vor ihm schon andere – der berühmteste ist der Historiker Frederick Jackson Turner – geprägt. Mead überträgt sie auf die Welt der Außenpolitik: Jacksonians hätten zunächst einmal wenig Interesse, sich in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen; für Ideen wie die Verbreitung von Demokratie und Freiheit haben sie nichts übrig. Doch nehmen sie eine Bedrohung wahr, fordern Jacksonians kompromisslose Härte: Die USA müssten dann hart zuschlagen – ohne Rücksicht auf Formalitäten des Völkerrechts. Eben wie nach 9/11.

Von Verträgen, von der Zusammenarbeit mit anderen, vom Multilateralismus also, halten die Jacksonians wenig: Wie die Siedler in den Grenzgebieten könnten sich auch die Vereinigten Staaten nur auf sich selbst verlassen. Zumal internationale Institutionen und Abkommen in den Augen der Denkschule meist ein Mittel der Schwachen seien, um den Starken Fesseln anzulegen und sie ihrer Souveränität zu berauben.

Einer, der exemplarisch für eben dieses unilaterale Denken steht, ist John Bolton. Es ist deshalb kein Zufall, dass er sowohl unter Bush (als UN-Botschafter) als auch unter Trump (als Nationaler Sicherheitsberater) diente.

Die Revolte der Jacksonians

Nun also ist es Trump, der internationale Verträge aufkündigt – und das reihenweise: das Pariser Klimaabkommen, den Atomdeal mit dem Iran und jüngst den INF-Abrüstungsvertrag. Er tut damit genau das, was Walter Russell Mead von ihm erwartet hatte – und bricht keineswegs mit allen Traditionen amerikanischer Außenpolitik, wie so oft zu lesen ist. Den Wahlsieg Trumps hatte Politikwissenschaftler Mead in der renommierten Zeitschrift Foreign Affairs dann auch mit einem treffenden Titel beschrieben: "Die Revolte der Jacksonians."

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