Verbände kritisieren zunehmende Schul- und Kitaschließungen in Bayern

22.10.2020, 16:14 Uhr
In einigen Kitas wurden die Gruppengrößen verkleinert, um den Abstand zwischen den Kindern zu gewährleisten. 

© Monika Skolimowska, NN In einigen Kitas wurden die Gruppengrößen verkleinert, um den Abstand zwischen den Kindern zu gewährleisten. 

Es vergeht mittlerweile kein Tag ohne Meldungen zu neuen Hotspots und zu rasant angestiegen Corona-Infektionszahlen. Inzwischen reißen immer mehr Landkreise in Bayern die Inzidenzmarke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern - eine Entwicklung, die sich auch auf die Schulen und Kitas auswirkt.

Im Berchtesgadener Land sind sie bereits vollständig dicht gemacht, auch Einrichtungen außerhalb dürfen nicht besucht werden, es gibt lediglich eine Notbetreuung. Doch der Landkreis im Süden Bayerns ist nicht der einzige. In der Oberpfalz hat die Stadt Weiden die dunkelrote Warnstufe erreicht, das heißt, dort liegt der Indizidenzwert höher als 100. Die erste Schule, ein Gymnasium, hat dort seit Donnerstag seinen Präsenzbetrieb eingestellt. Und auch im Landkreis Fürstenfeldbruck wurden an einigen Schulen die Klassen geteilt und ein Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht eingeführt, während in den Kitas teilweise die Gruppengrößen reduziert wurden, so das zuständige Landratsamt.

Doch dagegen schlagen nun einige Initiativen Alarm: Die Einschränkungen stelle "die betroffenen Familien praktisch von heute auf morgen vor existentielle Probleme, da Urlaub und Überstunden längst abgebaut sind und bedeutet für Kinder erneut einen Verlust an Teilhabe an zugesicherten Bildungsangeboten", kritisiert der bundesweite Zusammenschluss "Familien in der Krise". "Die Familien können nicht beides schultern, was auch bei der Politik seit dem Frühjahr angekommen sein müsste", schreibt dazu auch die Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbands, Waltraud Weegmann.

Gleichzeitig würden sich die Maßnahmen auch auf die Schüler negativ auswirken: Distanzunterricht würde vor allem Kinder aus sozialschwächeren Familien benachteiligen. Kita-Kinder bräuchten die sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen und die Förderung innerhalb der Einrichtungen, so ihr Argument. Die Initiative "Kinder für Kinder" formuliert es noch schärfer: "der Besuch von Gottesdiensten ist im Berchtesgadener Land weiterhin erlaubt - aber Spielplätze, KiTas und Schulen sind geschlossen. Arbeiten gilt als triftiger Grund die eigene Wohnung zu verlassen - aber in die Schule zu gehen, um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen, nicht".

Nicht alle Kommunen gehen den gleichen Weg

Die betroffenen Kommunen weisen die Kritik allerdings zurück und berufen sich auf den Stufenplan, den das bayerische Kultusministerium aufgestellt hat. Dort heißt es, dass ab Stufe drei ein Abstand von 1,5 Metern zwischen den Schülern auch während des Unterrichts gewährleistet werden muss. Könne das nicht eingehalten werden, kann zeitlich befristet ein Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht eingeführt werden. Allerdings sind die Kommunen nicht dazu verpflichtet. Wie agiert wird, entscheidet das jeweilige Gesundheitsamt. Diesen Spielraum des Hygieneplans nutzen etliche Kommunen auch aus, darunter Städte wie München, Nürnberg und Augsburg.


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In Fürstenfeldbruck will man sich dennoch an genau diese Vorgaben halten, heißt es auf Anfrage. "Bevor die Maßnahmen der Stufe 3 in Gänze angeordnet wurden, gab es seit Ende September, einzelne Maßnahmen hinsichtlich Schulen Kitas." Dies habe aber nicht zu einem Rückgang des Infektionsgeschehens geführt. "Das differenzierte Vorgehen war somit an Grenzen gestoßen."

Auch die kreisfreie Stadt Weiden greift auf diese Argumentation zurück. Dass ein Gymnasium dort vorübergehend gar keinen Präsenzunterricht anbietet, sei zudem Entscheidung der Schulleitung gewesen. Auf der Homepage heißt es: Das Gesundheitsamt habe dort weitere Klassen in Quarantäne geschickt. "Das hat leider zur Folge, dass ab morgen so wenige Schülerinnen an der Schule wären, dass kein Unterricht mehr organisiert werden kann."

Die Initiativen kennen die Vorgaben der bayerischen Staatsregierung, berufen sich aber auf Studien, wonach Kinder eine geringere Rolle im Pandemiegeschehen einnehmen. "Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter stecken sich nachweislich deutlich weniger mit Covid-19 an." Zudem würden sie das Virus seltener an Erwachsene geben. Das habe das Robert-Koch-Institut und die Corona-Kita-Studie bestätigt. "Wir fragen uns, wann diese Erkenntnis endlich Einzug in die tatsächlichen Entscheidungen der Verantwortlichen hält. Kinder dürfen nicht weiterhin dem Aktionismus geopfert werden", so die Vorsitzende des Deutschen Kitaverbandes. "Das Wohl des Kindes muss bei politischen Entscheidungen im Vordergrund stehen."

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