Vergleich mit Signalwirkung: Baby darf mit ins Parlament

25.5.2020, 14:20 Uhr
Mit Baby im Parlament, in Thüringen geht das unter gewissen Voraussetzungen jetzt in Ordnung.

© colourbox.de Mit Baby im Parlament, in Thüringen geht das unter gewissen Voraussetzungen jetzt in Ordnung.

Thüringer Landtagsabgeordnete haben jetzt das Recht, ihre Kleinkinder zu Landtagsdebatten und -abstimmunen mitzubringen. Das besagt ein Vergleich, auf den sich Vertreter des Landtags und der Fraktion der Grünen vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof in Weimar einigten. Die Richter hatten einen Vergleich in dem Rechtsstreit um Kleinkinder bei Plenarsitzungen vorgeschlagen. Das Mitnahmerecht gilt ausschließlich für bis zu einjährige Söhne und Töchter von Abgeordneten - allerdings dürfen die Kleinen die Sitzungen des Landtags nicht stören.

In dem Vergleich heißt es, es sei nun "verbindliche Parlamentspraxis" in Thüringen, Abgeordnete mit Babys an Plenarsitzungen teilnehmen zu lassen. Er enthält zudem den Passus, dass die Landtagspräsidentin bei älteren Kindern nach ihrem Ermessen entscheidet, ob sie zu einer Plenarsitzung mitgebracht werden können.

Aus dem Plenarsaal geworfen

Geklagt hatten die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling, die 2018 mit ihrem wenige Wochen alten Sohn aus dem Plenarsaal geworfen worden war, sowie die Landtagsfraktion der Grünen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, sprach von einem Signal auch für andere Parlamente in Deutschland. "Erstmals gibt es zur Mitnahme von Kindern eine schriftlich fixierte und damit verbindliche Regelung", sagte sie im Gericht. Auch Vize-Landtagspräsidentin Dorothea Marx zeigte sich zufrieden: "Wir hatten in der Sache keine Differenzen. Jetzt haben wir eine verbindliche Regelung."

Grünen-Fraktion und Landtagspräsidium hatten bereits zu Beginn der Verhandlung Einigungswillen signalisiert, weil nach dem Vorfall vor fast zwei Jahren Kleinkinder in den Plenarsaal mitgebracht werden können und im Landtag in Erfurt ein Stillzimmer eingerichtet wurde. Henfling sah in dem Rauswurf durch den damaligen Landtagspräsidenten Christian Carius im August 2018 eine Beschränkung ihres Rechts, an Entscheidungen des Parlaments mitzuwirken. Carius, der sich auf die Geschäftsordnung des Landtags berief, hatte mit seiner Reaktion für eine Debatte über die Vereinbarkeit von Familie und Abgeordnetenmandat ausgelöst.

Madeleine Henfling, Abgeordnete von Bündnis90/Die Grünen, während der Sitzung des Thüringer Landtags.

Madeleine Henfling, Abgeordnete von Bündnis90/Die Grünen, während der Sitzung des Thüringer Landtags. © Martin Schutt, dpa

"Es gibt keinen Mutterschutz und keine Elternzeit für Abgeordnete. Wenn sie ein Kleinkind haben, müssen sie an Landtagssitzungen teilnehmen", sagte Rothe-Beinlich. Zwar gebe es in Thüringen keine Probleme mehr, Babys zu Plenarsitzungen mitzubringen - doch das sei eine Entscheidung der Landtagspräsidentinnen Birgit Diezel, die auf Carius folgte, und der jetzigen Parlamentspräsidentin Birgit Keller. "Wir wollten eine grundsätzliche Klärung und damit Rechtssicherheit schaffen", so Rothe-Beinlich.

2018 hatte es im Landtag in Erfurt drei Abgeordnete mit Babys gegeben - derzeit sind es nach Angaben der Grünen-Fraktionschefin neben Henfling nur noch eine SPD-Abgeordnete mit einem Kleinkind. In Coronazeiten mit eingeschränkter Kita-Nutzung könnte es aber auch für Kinder dieser Altersgruppe Betreuungsprobleme geben. Nach Angaben von Landtagsdirektor Jörg Hopfe gilt im Thüringer Parlament nun auch die Kinderbetreuung als Entschuldigungsgrund, wenn Abgeordnete an einem Pflichttermin wie einer Landtagssitzung nicht teilnehmen können.

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