Von der Bedeutung der Gewalt in den Religionen

4.12.2015, 20:38 Uhr

Die Theologen hatten jedenfalls kein Problem damit. „Man darf niemanden zwingen“ sei die „eindeutige Aussage“ des Koran, sagte Ömer Özsoy, Professor für Koranexegese am Frankfurter Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam. Man könne den Koran aber nur verstehen, wenn man den historischen Kontext kenne, der eine Reihe kriegerischer Aussagen in die Schriften hineingebracht habe. Diese dürften den Blick auf „das Eigentliche“ nicht verstellen. Die Grundbotschaft des Islam habe mit Gewalt nichts zu tun, bewirke aber, dass von Gläubigen ständig Entschuldigungen verlangt würden.

Wahrheiten lassen sich nicht mit dem Schwert durchsetzen

Schon aus seiner Geschichte heraus habe das Judentum nie Wahrheiten mit Feuer und Schwert durchsetzen wollen, stellte Walter Homolka heraus, Rabbiner und Professor für Jüdische Religionsphilosophie. Jahrtausende hätten die Juden nach Verlust der Eigenstaatlichkeit als Fremde unter anderen Völkern gelebt: „Deshalb haben die Werte von Religionsfreiheit und Schutz Fremder unter uns einen hohen Stellenwert.“ Das Christentum hingegen hat nach Ansicht von Richard Heizmann, emeritierter Professor für Christliche Philosophie und Ehrenpräsident der Eugen-Biser-Stiftung, eine gut 1500 Jahre währende Phase der Intoleranz hinter sich. Obwohl das Christentum als „Religion der Freiheit“ angelegt sei, seien Christen Ende des vierten Jahrhunderts mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion unter Kaiser Theodosius „von Verfolgten zu Verfolgern“ geworden, so Heinzmann. Kirchenvater Augustinus habe damals die „Verwerfung der Religionsfreiheit“ theoretisch begründet. „Für Jahrhunderte“, so Heinzmann, „wurde die christliche Botschaft (. . .) durch eine antichristliche Theorie und Praxis geprägt.“

Noch im 19. Jahrhundert habe das katholische Lehramt die Religionsfreiheit „mit größter Entschiedenheit“ verworfen. Die Wende habe erst das Zweite Vatikanische Konzil gebracht. Inzwischen habe sich die Grundeinsicht durchgesetzt, dass Religionsfreiheit zu den unverzichtbaren und universalen Menschenrechten zähle.

In der deutschen Rechtsordnung ist die Religionsfreiheit laut Ex-Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof fest verankert. Das Grundgesetz biete Eltern und Kindern in religiösen Fragen allerdings „nicht Freiheit, sondern ein Freiheitsrecht“: „Das Schwert, mit dem das Recht durch Einsatz körperlicher Gewalt durchgesetzt wird, trägt grundsätzlich nur die Justitia.“

Viel Toleranz und Freiheit also zwischen den Religionswissenschaftlern, die sich jedoch keiner Illusion hingaben, dass die Wirklichkeit oft anders aussieht. Islamwissenschaftler Özsoy beobachtet eine regelrechte „Allianz“ zwischen islamistischen Terroristen und Rechtsextremen. Beiden sei daran gelegen, den Islam zu einer Gewalt- und Kriegsreligion zu machen.

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