Warum die Obdachlosigkeit in Nürnberg zunimmt

14.11.2017, 06:00 Uhr
Warum die Obdachlosigkeit in Nürnberg zunimmt

© Foto: Roland Fengler

Wohnungslosigkeit ist im Freistaat hauptsächlich ein Großstadtproblem. Laut einem Bericht der Regierung zur sozialen Lage in Bayern leben fast 60 Prozent der Wohnungslosen in Oberbayern, 19 Prozent in Mittelfranken. Die Oberpfalz verzeichnet hingegen nur 2,2 Prozent, Oberfranken 1,7. Die Zahlen des dieses Jahr veröffentlichten Berichts stammen allerdings von 2014. Insgesamt waren damals etwas über 12.000 Personen ohne eigene Wohnung.

Zwar gibt es auch in vielen kleineren Städten mehr Wohnungslose: Im oberfränkischen Forchheim beispielsweise ist die Zahl laut Verwaltung von 75 im Jahr 2010 auf heute 112 gestiegen. Brennpunkte sind aber München und Nürnberg. In der Landeshauptstadt waren Anfang des Jahres Medienberichten zufolge dreimal mehr Menschen wohnungslos als noch 2008, insgesamt über 7500.

"Immer schwerer, erschwingliche Wohnung zu finden"

In der Frankenmetropole sind zwischen September 2016 und September 2017 8,1 Prozent dazugekommen. 1811 Menschen sind in Nürnberg "obdachlos", so nennt die Stadtverwaltung die, die in kommunalen Wohnungen (etwa 400, davon viele Familien), Pensionen (800-900) oder Heimen untergebracht sind. Das ist ein großer Teil der nach der letzten Regierungsstatistik 2258 Betroffenen in Mittelfranken. Grund sei vor allem die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt und nicht etwa ein Zustrom aus Osteuropa oder von anderswo, meint Sozialamtsleiter Dieter Maly. "Es wird immer schwerer, eine erschwingliche Wohnung zu finden."

Hinzu kommen diejenigen, die in kalten Nächten die Notschlafunterkünfte aufsuchen, hier hat die Stadt laut Sozialamt etwa 140 Plätze zur Verfügung. Niemand werde weggeschickt, beteuert Maly. Und es gibt, seit Jahren relativ konstant, um die 50 Personen, die freiwillig im Freien campieren, zum Beispiel unter Pegnitz-Brücken. Diese Zahl habe nicht zugenommen.

"Abbild der Gesellschaft"

Zwar hätten sich suchtkranke Zuwanderer mit den schon vorhandenen Nürnberger Szenen, insbesondere am Bahnhof, vermischt. Von Zuständen wie in Berlin sei man aber weit entfernt. Unter den Obdachlosen, die von der Stadt untergebracht wurden, hätten etwa 35 Prozent einen Migrationshintergrund. "Das ist ein Abbild der Gesellschaft", sagt Maly. Er sieht in erster Linie den Wohnungsmarkt als Problem. Denn wer beispielsweise mit der Miete in Rückstand gerät und deshalb seine Wohnung verliert, findet womöglich so schnell keine neue.

Doppelt so viele kostenlose Mittagessen

Dass es bei manchen Nürnbergern an allen Ecken und Enden fehlt, merkt auch Manuela Bauer. Sie leitet die Ökumenische Wärmestube von Caritas und Stadtmission in der Köhnstraße. 150 bis 200 Mittagessen werden dort jeden Tag ausgegeben, das seien doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Viele Gäste bezögen kleine Renten, da fehle nach Miete und Strom "oft das Geld zum Leben".

In der Caritas-Straßenambulanz in der Straßburger Straße wurden bis Ende Oktober 1000 Patienten behandelt, davon etwa 500 Deutsche, 400 EU-Ausländer und 100 aus dem übrigen Ausland. Das sei nur etwas mehr als vergangenes Jahr, erklärt Leiter Roland Stubenvoll - und wesentlich weniger als 2014, als nach dem Wegfall von Freizügigkeitsbeschränkungen für die EU-Mitglieder Bulgarien und Rumänien 1600 medizinische Hilfe in Anspruch genommen hatten.

Viele Menschen aus diesen Ländern hätten in der Zwischenzeit einen Job gefunden und könnten für sich selbst sorgen - oder sie seien zurückgegangen, so Stubenvoll. Sozialamtschef Maly bestätigt das: Viele Osteuropäer hätten eine eigene Bleibe und sind daher nicht mehr auf die Hilfe der Stadt angewiesen. Doch so lange die Mieten in den Großstädten weiter so stark steigen, werden wohl auch weiterhin Viele das soziale Netz brauchen, um nicht ganz unten zu landen: auf der Straße.

Wo können sich Betroffene, die ihre Wohnung verloren haben oder dies befürchten, hinwenden? Hier finden Sie Adressen und Kontaktdaten von Tagesstätten, Beratungs- und Gesundheitsangeboten in Nürnberg, Fürth und München.

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