Wie Künstliche Intelligenz die Landwirtschaft verändert

3.3.2019, 18:12 Uhr
Wie Künstliche Intelligenz die Landwirtschaft verändert

© Anette.Mezger@de.bosch.com

Auf einem Feld in Franken ist die Zukunft bereits Realität: Statt eines Landwirts entfernt hier ein Roboter Unkraut. "Er wird im Gegensatz zum Menschen nicht müde", sagt Roland Leidenfrost, Gruppenleiter der Entwicklungsabteilung bei Deepfield Robotics, ein Bosch Start-up mit Sitz im Raum Stuttgart. Das Unternehmen testet derzeit auf deutschen Feldern den Einsatz der neuartigen Maschine, wo genau – das will die Firma noch nicht verraten.

"Der Roboter wurde anhand von Millionen Bildern trainiert und arbeitet teilweise sogar besser als ein Mensch", wirbt Leidenfrost. "Er kann selbst bei winzigen Keimlingen unterscheiden, ob es sich um Nutzpflanzen oder eben um Unkraut handelt. Ist er sich dennoch einmal nicht sicher, bleibt die Pflanze stehen und wird bei einer späteren Unkrautbehandlung entfernt", ergänzt der Fachmann.

Theoretisch könnte das Gerät auch ohne Aufsicht arbeiten. Aber: "Wir sind noch in der Testphase, es sind so viele Details zu klären, wir wollen die Maschine noch nicht alleine lassen, weil sie zum Beispiel gestohlen werden könnte", erklärt Leidenfrost.

Technologie bald auf dem Markt

Frühestens im Jahr 2021 soll die neue Technologie, die laut Hersteller eine wirtschaftliche Alternative zu Pflanzenschutzmitteln ist, auf den Markt kommen. Mittelfristig soll auch ein Gerät, das an Landmaschinen angebaut werden kann, und genauso funktioniert wie der Roboter, verkauft werden. Entscheidet sich der Landwirt für diese Maschine, ist er weiterhin als Traktorfahrer gefragt.

Der Bosch-Roboter ist ein typisches Beispiel dafür, wie Künstliche Intelligenz in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Doch noch ist KI für etliche Bauern ein Fremdwort, wie unter anderem bei einer Veranstaltung im Landkreis Nürnberger Land deutlich wird. Landwirte, die sich damit bereits beschäftigt haben, sind geteilter Meinung: "Wir brauchen das nicht, wir denken selbst", sagt zum Beispiel einer aus dem Raum Fürth, der einen Familienbetrieb leitet. Doch es gibt auch etliche, die es kaum erwarten können, weitere technische Hilfe zu bekommen.

KI noch nicht in deutscher Landwirtschaft

Während in Kalifornien in den USA ein Gewächshaus bereits komplett von Robotern bewirtschaftet wird, ist auf deutschen Feldern und in deutschen Ställen Künstliche Intelligenz bisher noch nicht zu finden. Norbert Bleisteiner, Leiter des Fachzentrums Energie und Landtechnik in Triesdorf, meint sogar: "Von Künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft sind wir derzeit noch weit entfernt. Aber die Vorstufe gibt es schon."

Doch viele Konzerne stehen bereits in den Startlöchern: Unter anderem der deutsche Agrarkonzern Bayer, der erst im Dezember 2018 "Field View", ein System, das Landwirte bei der Bewirtschaftung der Äcker unterstützt, in Deutschland auf den Markt gebracht hat. Landwirte geben Daten in Laptop oder Handy ein, diese werden dann an ein Gerät, das in der Fahrerkabine des Schleppers montiert ist, übertragen. Der Bauer erhält schließlich Vorschläge, wie er sein Feld bewirtschaften kann. "Die Entscheidungen trifft aber immer noch der Bauer", betont Bayer-Sprecher Utz Klages. "Wir bieten nur unser Know-how", ergänzt er. Dafür zahle der Nutzer eine Lizenzgebühr, bei einer Fläche von unter 500 Hektar sind dies laut Bayer zum Beispiel rund 2000 Euro jährlich.

Weltweit werde "Field View" bereits auf über 24 Millionen Hektar eingesetzt, bis Ende 2019 sollen es 36 Millionen Hektar werden. Dabei werden unter anderem Pflanzenschutzmittel gezielter versprüht und die Aussaat optimiert, wirbt das Unternehmen. Was den Datenschutz betrifft, erklärt Klages: "Die personenbezogenen Daten gehören dem Landwirt, aggregierte (zusammengefasste, d. Red.) Daten gehören Bayer."

John Deere will KI nutzen

Auch bekannte Landmaschinenhersteller wie zum Beispiel John Deere arbeiten daran, dass Künstliche Intelligenz bald die Höfe erobert. Ziel des Unternehmens sei es, Maschinen in Zukunft komplett autonom zu machen. Fahrerlose Traktoren gibt es seit Jahren, bisher muss aber ein Landwirt auf der Maschine sitzen — auch wenn er nicht lenkt.

"Liegen die Felder rund um den Betrieb, kann ich mir vorstellen, dass der Traktor irgendwann alleine losfährt und die Flächen bearbeitet", sagt Torsten Klimmer, Manager Business Strategy bei John Deere, ein Unternehmen, das mit der "Blue River Technologie" zum Vorreiter im Bereich KI in der Landwirtschaft werden will: Mit Hilfe spezieller Erkennungsmethoden könnten Pflanzen laut John Deere gezielter als bisher mit Pestiziden behandelt werden. "Die Ernte wird verbessert und bei Diesel, Dünger, Pflanzenschutzmittel und Saatgut kann gespart werden. Für den Kunden ist ein Wert von 70 Euro pro Hektor möglich", wirbt Klimmer.

In den USA gibt es das System, das Pflanzen identifizieren und dann entsprechende Maßnahmen durchführt, bereits, in Deutschland testet John Deere — genau wie Bosch — noch. Datenschutz sei dabei enorm wichtig: "Bei uns legt der Kunde fest, welche Daten er teilen will", erklärt Klimmer und ergänzt: "Wer keine Daten teilt, bekommt auch keine Empfehlungen wie die Maschinen besser eingestellt werden können."

Die ungewollte Weitergabe von Daten an Dritte ist vielen Experten zufolge eine große Gefahr, die KI mit sich bringt. Michael Clasen, Professor für Agrarinformatik an der Hochschule Hannover, sieht noch weitere Herausforderungen: Das größte Risiko aus seiner Sicht ist, "dass wir irgendwann den Produktionsprozess nicht mehr verstehen".

Künstliche Intelligenz kontrollierbar

Stefan Stiene, Leiter des Competence Center Smart Agriculture Technologies (CC-SaAT) beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, sieht dies anders. Gefahren gibt es aus seiner Sicht keine: Dass KI einmal unkontrollierbar werden könnte — wie es Clasen vermutet — glaubt Stiene nicht, weil der Mensch die Fakten vorgibt.

Der Übergang zwischen Digitalisierung und KI ist seiner Meinung nach fließend. Bisher gebe es aber im Bereich Landwirtschaft vor allem Nischenprodukte. Wie zum Beispiel kleine Roboter, die in den Gewächshäusern Paprika ernten.

Auch auf den Feldern und in den Ställen werde sich demnächst einiges verändern. Dass ein Traktor aber alleine den Hof verlässt und die Arbeit am Acker erledigt, — wie es Klimmer von John Deere vorhersagt —ist laut Stiene ebenfalls unrealistisch: Das Gefährdungspotenzial sei viel zu hoch.

Für Stiene bringt KI nur positive Effekte: Der Landwirt erhalte neue Werkzeuge, um die Produktivität zu steigern. Auch Clasen sieht — neben Gefahren — viele Vorteile: "Schwarze Schafe wird es bei KI nicht geben. Die geforderten Qualitäten im Bereich Tierschutz oder Umweltschutz werden eingehalten", sagt er.

Nutzen für Verbraucher

Profitieren würden zudem auch die Verbraucher. "Die Preise für Lebensmittel sinken weiter. Hervorragende Produkte können kostengünstig angebaut werden", prognostiziert der Wissenschaftler. Eine Gruppe von Verbrauchern werde aber seiner Meinung nach immer bereit sein, höhere Preise für nicht so perfekte Produkte, die aus Handarbeit stammen, zu zahlen.

Zudem könnte laut Clasen der Eigenanbau wieder steigen. In Amerika werde nämlich aktuell ein Feldroboter für private Gärten entwickelt. "Der wird sich um die Pflanzen kümmern und selbstständig Erdbeeren oder Tomaten pflücken, die — wenn wir abends heimkommen — in unserer Garage bereitstehen. Wer Lust hat, kann noch selbst im Garten arbeiten, man muss aber nicht", sagt Clasen. "Die neue Technik wird unter dem Strich billiger sein. Informationen wird der Farmer auch kostenlos aus dem Web bekommen", erklärt der Agrarwissenschaftler.

Günter Felßner, Präsident des mittelfränkischen Bauernverbandes, ist aber dennoch — wie viele seiner Berufskollegen — skeptisch: "Man wird immer mehr zum Datenmanager und entfernt sich immer weiter von der Natur", befürchtet er. Und auch Norbert Bleisteiner, Leiter des Fachzentrums Energie und Landtechnik in Triesdorf, äußert Bedenken. Aussagen von Experten aus der Industrie, dass Roboter teilweise sogar besser arbeiten als der Mensch, kann er nicht nachvollziehen. Bleisteiner ist hier anderer Meinung: "Maschinen bringen immer nur durchschnittliche Leistungen, ein guter Landwirt ist aber immer besser als der Durchschnitt", sagt er.

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