Wie Palermos Bürgermeister auf Rechtspopulismus reagiert

26.1.2020, 15:25 Uhr
Leoluca Orlando spricht bei einer Pressekonferenz über das neue Bündnis "United4Rescue - Gemeinsam Retten!". Das zivilgesellschaftliches Bündnis aus Kirchen, Kommunen und Vereinen will ein weiteres Schiff zur Seenotrettung ins Mittelmeer schicken.

© Georg Wendt/dpa Leoluca Orlando spricht bei einer Pressekonferenz über das neue Bündnis "United4Rescue - Gemeinsam Retten!". Das zivilgesellschaftliches Bündnis aus Kirchen, Kommunen und Vereinen will ein weiteres Schiff zur Seenotrettung ins Mittelmeer schicken.

Er erzählt es gern, und deshalb erzählt er es oft: Gerade einmal zwei Prozent hat sein Gegenkandidat von der rechtsextremen Lega  bei der letzten Bürgermeisterwahl gewonnen, "und ein Prozent haben aus Versehen für ihn gestimmt". Leoluca Orlando dagegen hat in der sizilianischen Stadt Palermo 2017 schon im ersten Wahlgang souverän gewonnen.

Der italienische Anti-Salvini

Es war auch eine Abstimmung über die extrem liberale Flüchtlingspolitik des Stadtchefs. Denn mehr Widerspruch zur Lega geht nicht; Orlando ist gewissermaßen der Anti-Salvini, das exakte Gegenteil des früheren Innenministers und jetzigen Parteichefs. Er sagt Sachen wie: "Wenn man mich fragt, wie viele Migranten in meiner Stadt leben, sage ich nicht 90.000 oder 100.000. Ich sage: keiner. Denn wer in Palermo ist, ist Palermitaner." Macht insgesamt rund 650.000.


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Salvini will in in Italien kein Boot mit Flüchtlingen mehr anlegen sehen. Orlando geht zum Hafen Palermos, und begrüßt die Menschen persönlich, wenn eines angekommen ist.

Leoluca Orlando regiert in Palermo mit Unterbrechungen seit 1985. Damals war die Stadt eine Mafia-Hochburg mit rund 250 Morden im Jahr. Der Mitte-Links-Politiker machte sich einen Ruf als Mafia-Jäger. Firmen, die unter Kontrolle der Verbrecher-Organisation standen, bekamen zum Beispiel keine öffentlichen Aufträge mehr. Heute ist die Mafia zwar immer noch da, aber sie beherrscht die Stadt nicht mehr.

Auf Todesliste der Mafia

72 Jahre ist Orlando mittlerweile, und dieses Alter ist nicht selbstverständlich. Denn zeitweise stand er auf der Todesliste der Mafia ganz oben, die Zahl seiner Leibwächter war damals zweistellig. Oft stand auch ein Rettungswagen parat, für den Fall der Fälle. In Nürnberg trat Orlando jetzt ohne sichtbaren Polizeischutz auf, bei der Grünen-nahen Petra-Kelly-Stiftung. Thema war der richtige Umgang mit Flüchtlingen - und da ist Orlando ein Radikaler im öffentlichen Amt.


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"Mobilität ist ein Menschenrecht", sagt er, und: "Ich bin gegen Aufenthaltsgenehmigungen." Dort wurde 2015 die Charta von Palermo verabschiedet, deren Inhalt er so umschreibt: "Keiner darf gezwungen werden, dort schlechte Lebensumstände zu erträgen und zu sterben, wo seine Eltern ihn zufällig geboren haben."

Migranten sollen dazugehören

Das ist gewiss nicht die Mehrheitsmeinung, weder in Italien noch in Europa. Naiv ist Orlando trotzdem nicht. In Palermo achtet die Stadtverwaltung darauf, dass keine Gettos entstehen. Maximal 40 Menschen sollen in einem Gebäude wohnen, damit es Kontakt zu den anderen Palermitanern gibt. Offen, bunt, multiethnisch, multireligiös - so soll die Stadt sein.


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Vor allem sollen die Migranten dazugehören. Deshalb missachtete Palermo wie einige andere Städte auch ein Dekret von Matteo Salvini, nach denen sie Migranten mit Aufenthaltsberechtigung keinen Personalausweis ausstellen sollten. Ohne den aber keinen Job, noch nicht einmal ein Bankkonto. Heute ist unumstritten, was Orlando als Verfassungsrechtler schon immer sagte: Das Dekret war verfassungswidrig.

Und: Gibt es mehr Konflikte oder Verbrechen? Nein, sagt Orlando. Denn: Wenn kriminelle Muslime anreisen, dann verständigen ihre Glaubensbrüder die Behörden: "Sie schützen ihre Stadt." Palermo ist heute überigens der sicherste Ort Italiens.

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