"Wir müssen öffnen": Fürther SPD-Abgeordneter kritisiert Söder

12.2.2021, 17:47 Uhr
Horst Arnold, Fürther SPD-Abgeordneter und Chef seiner Fraktion, bescheinigt Söder "Beliebigkeit und tatsächliche Ignoranz".

© Winckler Horst Arnold, Fürther SPD-Abgeordneter und Chef seiner Fraktion, bescheinigt Söder "Beliebigkeit und tatsächliche Ignoranz".

Es ist ein kühnes Bild, das Florian Streibl bemüht. Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (FW), sagt der Fraktionschef der Freien Wähler, seien das Yin und das Yang der Coronapolitik. „Sie sind die beiden Pole, die uns den gemeinsamen Weg der Weisheit aus dieser Krise weisen – Umsicht und Vorsicht auf der einen Seite, Zuversicht und Zusammenhalt auf der anderen.“


FW-Vorsitzender: Söder und Aiwanger sind wie "Yin und Yang"


Wie weise dieser Weg tatsächlich ist, ist allerdings umstritten. Markus Söder als Ministerpräsident verteidigt seine Linie im Landtag natürlich. Er wirbt für die ersten kleinen Schritte aus dem Lockdown: die Schulen, die ab dem 22. Februar für die Abschlussklassen und die Jahrgangsstufen eins bis vier wieder öffnen dürfen, wenn auch in der Regel nur im Wechselunterricht. Vorausgesetzt, die Inzidenz liegt unter hundert. Die Kitas, die wie die Schulen öffnen können, und deren Personal künftig auch auf die angenehmeren OP-Masken ausweichen darf. Die Friseure, die zum 1. März an den Start dürfen. Und für die Ausgangssperre, die ab Montag für die meisten bayerischen Regionen fallen wird.

Neue Tonlage

Söder hat sich ein paar neue Vokabeln zurecht gelegt. Er mahnt nicht nur, sondern bettet seinen Text in positive Botschaften ein, lobt die Bevölkerung für ihren Durchhaltewillen, feiert die sinkenden Infektionszahlen und die Kultur als systemrelevant, sagt, er denke über Hilfen für den Handel nach. Und wie immer hat er Geld im Gepäck, diesmal für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita bringen wollen. Die Gebühren, sagt er, übernehme der Staat auch im März, wie schon in Januar und Februar. So klingt nicht mehr ganz so hart, dass der Lockdown noch mindestens bis zum 7. März bestehen bleibt.

Der Opposition allerdings reicht das längst nicht mehr. Seit Monaten mahnen ihre Vertreter mehr Mitspracherechte ein; seit Monaten finden sie es zwar ganz nett, dass der Ministerpräsident jetzt seine Verordnungen auch im Landtag vorstellt. Ein echtes Mitspracherecht aber hat die Opposition nicht. Sie kann allenfalls über Dringlichkeitsanträge eigene Ideen einbringen, zerschellt damit aber regelmäßig an der Mehrheit aus CSU und Freien Wählern.

Grüne tragen Kurs mit

Und an den Grünen. Die kritisieren zwar jedes Mal Söders Linie, stimmen am Ende aber doch mit CSU und Freien Wählern, auch diesmal wieder. Das liegt auch daran, dass sie den vorsichtigen Kurs Söders im Prinzip mittragen. Von einem schnellen Öffnen des Handels oder der Gastronomie hält Fraktionschef Ludwig Hartmann so wenig wie Söder. Wie er plädiert Hartmann für kleine Schritte. Anders als Söder will er aber auch über den Handel reden, die Gastronomie, die Kultur, über alle, die weiter im Lockdown verharren müssen.
Einen Stufenplan also verlangt Ludwig Hartmann, mit „klar nachvollziehbaren und transparenten Kriterien“. Der aber fehle überall, für den Handel wie für die Schulen. „Ich weiß nicht, was Sie letzten Sommer getan haben, Herr Ministerpräsident“, sagt der Grünen-Politiker. „Aber bis heute gibt es kein Konzept. Das macht sprachlos.“
Der Ton ist ab diesem Moment gesetzt.

Horst Arnold, Fürther SPD-Abgeordneter und Chef seiner Fraktion, zieht mit und bescheinigt Söder „Beliebigkeit und tatsächliche Ignoranz“. Arnold sieht ein „Perspektivdesaster“ bei der Regierung und warnt, ganz Jurist, „dass die Grundrechte die Basis in dieser Demokratie sind und kein Luxus.“

Arnold zerlegt Söders Lockerungsschritte als abenteuerlich. Seine Fraktion verlangt seit Langem, dass die Geschäfte wieder geöffnet werden sollten. Dass dies nun nur für Friseure gilt, hält er für absurd. „Wir müssen öffnen“, sagt er, „sicher und vor allem gerecht.“ Martin Hagen wiederum arbeitet sich an den Inzidenzwerten ab. Sie sind Söders Messlatte, wann er wie dem Druck nachgeben und Geschäfte oder Restaurants wieder aufschließen will. Nur sagt er dazu in seiner Regierungserklärung nichts.

Immer neue Werte

Hagen schon. Er verstehe das nicht, sagt der Liberale, „dass die 50 plötzlich keine Rolle mehr spielt. Jetzt heißt es 35, weil wir uns der 50 nähern.“ Hagen wartet angeblich nur darauf, dass Söder demnächst die Null als Ziel ausgebe, kaum dass die Werte nahe der 35 liegen. „Wie sollen sich die Menschen denn auf etwas verlassen können, wenn der Wert jedes Mal verändert wird?“, fragt er Richtung Regierungsbank. Eine Antwort bleibt aus. Es ist kein Dialog, in den der Ministerpräsident mit dem Parlament tritt. Söder berichtet. Und schweigt danach. Erst im März wird er wieder berichten müssen.

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